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CROCODILE: Beschränkte Studenten gegen Schnappi, das Krokodil

Was für ein Horror: CROCODILE, beziehungsweise Die dämlichsten Studenten der Welt gegen Schnappi, das Pappmaschéekrokodil aus dem Sumpf. Produziert von Nu Image, die sich seit den frühen Neunzigern mit herzhaftem Videothekenramsch wie CYBORG COP II, PROJECT SHADOWCHASER III und OPERATION DELTA FORCE 4 profiliert haben und nach all dem Krawall Lust auf ganz üblen Tierhorrorschlonz bekamen. Für das vorliegende Krokomobil konnten sie sich als Dompteur und Dirigenten den einstmals großen Tobe Hooper an Land ziehen, der hier zeigt, daß der Weg nach unten sehr tief führen kann.

Wahrscheinlich ist es gar nicht so sehr Hoopers Schuld, daß das hier wütende Reptil gar so ermüdend schlonzig geraten ist – zumindest will man das irgendwie glauben, wenn der Regisseur von TEXAS CHAINSAW MASSACRE hinter der Kamera steht und dann so ein fader Schmumpf dabei herauskommt. Da ziehen also acht Studenten mitsamt Hund in den Semesterferien durch die Sümpfe Floridas, um sich vollaufen zu lassen, und die versammelte Truppe ist einfach so brachial blöd und minderbemittelt, daß man schon nach fünfzehn Minuten bettelt, sie mögen doch bitte jetzt gleich allesamt vom Krokodil erlöst werden.

Nein, es ist leider nicht die Art von Film.

Leider läßt sich das fiese Viech aber eine Menge Zeit, weshalb man seine Zeit damit verbringen darf, die Studienrichtungen der einzelnen Vollpfosten zu erraten. Ich tippe auf Gastrosophie – und nehme weiterhin an, daß die versammelte Mannschaft über die Einführungsvorlesung „Weinverkostung für Analphabeten“ nie herausgekommen ist. Immerhin: Schön sind sie alle. The beautiful people, the beautiful people. Hochgegelte und gefärbte Haare, sportlicher Look, ein bißchen alternativ, jeder wie aus seiner eigenen Castingband direkt als Brechmittel auf die Bühnen der Welt geschickt.

Gut. Was passiert also? Die Posterboys und -girls für die Einführung von universitären Eignungstests stolpern mit Krawall durch den Sumpf und finden dabei ein paar Krokodilseier. Weil einer von ihnen einen sehr ausgefeilten Sinn für Humor hat, versteckt er eins der Eier im Rucksack unserer blonden, sensiblen, hochnotnormalen Protagonistin – die leider gerade erfahren mußte, daß ihr Freund (der dauernd so aussieht, als wollte er ein Skateboard verkaufen) ein Verhältnis mit einer Studienkollegin hatte (die so aussieht, als würde sie jedes angebotene Skateboard sofort kaufen wollen). Da gibt’s also viel Drama im Sumpf von 90210, weswegen die Mannschaft erstmal gar keine Zeit für das doofe Krokodil hat.

Es ist WIRKLICH nicht die Art von Film.

Der Film wiederholt jetzt also mehrfach das folgende Muster: Pappi – äh, Schnappi, das Krokodil, taucht auf. Die Studenten kreischen, werden panisch, machen etwas Dummes. Kroko verknuspert einen aus der Truppe. Der Rest läuft hinfort und redet irgendwelchen Kappes, bis Pappi – äh, Schnappi, wieder auftaucht. Hoffnung für den Zuseher keimt nur deshalb auf, weil die Zahl der Protagonisten auf acht begrenzt ist und der Film zu billig ist, als daß da große Mengen an neuen Charakteren herangekarrt werden könnten.

Wir lernen ja jeden Tag etwas dazu, und deshalb können wir auch aus CROCODILE so einige Erfahrungen mitnehmen. Merke: Der beste Punkt, um von einem Schiff zu flüchten, ist immer der, der am weitesten vom Ufer entfernt ist – damit es anschließend spannender wird, ob man noch vor dem Krokodil das rettende Ufer erreicht. Merke weiterhin: Man sollte sein Bein nicht leichtsinnigerweise zwischen zwei am Boden liegende Äste stellen, weil man sich dort ganz übel verfangen könnte und dann vom Krokokus eingeholt wird. Und: Im Falle eines Notfalls zahlt es sich aus, das wirklich nervigste und beständig herumjammerndste Mitglied einer Gruppe zu sein – die Überlebenschancen sind (entgegen zahlreicher Wünsche aus dem Publikum) überdurchschnittlich hoch.

How to survive a crocodile attack.

Wenigstens gibt es tolle Tierkunststückchen zu sehen – an einer Stelle wirft das Krokodil beispielsweise einen Kerl in die Luft nach hinten, und als er wieder herunterkommt, landet er direkt im Rachen des hungrigen Viechs. Noch gelungener ist die Rolle seitwärts, mit der das Monstrum über ein Boot springt – warum genau es das macht, nachdem es ja sonst ganze Bootsstege, Außenbordmotoren, Hauswände und andere Hinternisse wegbeißen kann, bleibt freilich unklar, aber der Verdacht liegt nahe, daß sich das Tier mindestens ebenso langweilt wie der Zuseher.

Tobe strengt sich übrigens an, hier und da mal mit dem Auge zu zwinkern: An einer Stelle finden die Protagonisten eine Kettensäge, die aber leider kein Benzin mehr hat. Eine gut gemeinte Anspielung – und ein leider allzu treffendes Bild für Hoopers Karriere. Angesichts dieses klapprigen Krokofilmchens gerät man beinahe in Versuchung, ihm ein herzhaftes „Selber schuld!“ zuzurufen.

Mehr Tobe Hooper auf Wilsons Dachboden:
Blutgericht in Texas (1974)
Fire Syndrome (1990)
Djinn – Des Teufels Brut (2013)



Crocodile (USA 2000)
Regie: Tobe Hooper
Drehbuch: Boaz Davidson (story), Jace Anderson, Adam Gierasch, Michael D. Weiss
Darsteller: Mark McLachlan, Caitlin Martin, Sommer Knight, Chris Solari, Doug Reiser, Julie Mintz, Rhett Jordan, Greg Wayne, Harrsion Young

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Ich leih dir mal die FUNHOUSE DVD. Da drauf ist ein Q&A mit Tobe (leider recht miese Bild- und Tonqualität) und den Writern von CROCODILE. Ich sage nur – es ist recht amüsant die drei über diesen Film reden zu hören und es stellt sich das Gefühl ein, dass sie ihn ähnlich überzeugend finden wie du. Aber man bekommt ein ganz guten Eindruck unter welchen Umständen dieses Ding entstanden sein muss. Die beiden haben dann auch Tobes MORTUARY und TOOLBOX MURDERS geschrieben.

    2. Ja, das sehe ich mir gerne mal an!

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