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[Film] Bat Attack – Angriff der Fledermäuse (2002)

Wenn man sich irgendwann einmal als Ziel gesetzt hat, alle Tierhorrorstreifen auf Gottes Erden zu sichten und mit kritischen Worten zu bedenken, darf man das Vorhaben nicht einfach wegen widriger Umstände ad acta legen – zum Beispiel angesichts der Tatsache, daß es fünfhundert Trillarden solcher Filme gibt, die zu neunundneunzigkommaperiodeneun Prozent hundsmiserable Wegwerfware sind. Halten wir also tapfer Kurs und knöpfen uns – sozusagen mit zufälligem Griff in die rotierende Trommel – den nächstbesten Viecherfilm vor, der sich anbietet: FANGS zum Beispiel, der bei uns mit dem schnuckeligen neudeutschen Titel BAT ATTACK versehen wurde. Macht ja auch Sinn: Der Deutsche glaubt beim Originaltitel womöglich noch, daß es um Hundedressur geht.

Die titelgebenden Fledermäuse sehen wir gleich zu Beginn in einem Labor. Da stapfen zwei Studentinnen durch den Raum, die eher nach Publizistikstudium als nach Biologielehrgang aussehen, und die mit den schwarzen Haaren erklärt der mit den blonden Haaren den Ultraschall: Hoher Ton, Mensch nix hören. Da gibt es einen schönen Schalter, und wenn der auf grün steht, dann schlummern die Tiere beruhigt vor sich hin – aber sobald man auf rot schaltet, werden die lieben Fledermäuse hungrig und wollen etwas futtern. Die Schwarzhaarige erklärt noch, daß der Ton im grünen Bereich so wirkt, als würden die Tiere eine N’Sync-CD hören – da sollte man sich eigentlich nicht wundern, wenn alle durchdrehen und schon bald jemand weint.

 

Die Blonde steht übrigens nur wenige Momente später zu nah an einem Käfig, woraufhin sich eine Fledermaus in ihrem Haar verfängt. Das darauffolgende Gekreische spielt sich leider nicht nur um Ultraschallbereich ab, aber nur kurze Zeit später können die beiden Studierenden (wir gendern das jetzt mal ganz großzügig, weil ja theoretisch auch Männer das Recht hätten, als aufgetusste Dummchen Laborarbeit zu verrichten) bei ihrem Professor eine Eins erpressen, weil Blondie mit dem Anwalt droht. Es ist fast schade, daß der integre Wissenschaftler nach nur wenigen Filmminuten Opfer seiner eigenen Fledermausbande wird, die nun leider frei herumfliegt und das schöne Städtchen bedroht.

Gott sei Dank gibt es den Tierdoktor Dr. John Winslow, der sich auf die Suche nach den entschwundenen Fledermäusen macht. Hilfe bekommt er dabei von der Polizistin Ally Parks, die laut eigenen Angaben neun Jahre lang in der Mordkommission in Los Angeles gearbeitet hat und trotzdem bei jedem Fund einer zerbissenen Leiche oder einer toten Fledermaus wahlweise „huch“ oder „wääh“ sagt. Für Abwechslung sorgt da nur eine garstige Spinne, die der wackeren, nervengestählten Polizistin ein herzhaftes „uaaaah“ entlockt. Winslow zeigt sich schon bald als effektiverer Partner dieser Zusammenarbeit: Er schlußfolgert, wo sich die Fledermäuse aufhalten könnten (Fledermäuse leben in Höhlen, und hier bei der Stadt gibt es nur eine Höhle – wollen wir mal nachsehen?), und kann später feststellen, daß die Biester doppelt so lange Beißzähne wie üblich haben und außerdem ein starkes Gift absondern, bei dem die gebissenen Opfer nichts mehr spüren. Über letztere Diagnose wurden die herumschreienden Attackierten quer über den Film wohl noch nicht informiert.

Winslows im Teenageralter befindliche Tochter Genny spielt übrigens auch eine wichtige Rolle: Sie dreht einen, räusper, Dokumentarfilm über die Machenschaften eines im Ort ansässigen Immobilienhais namens Carl Hart. Hart zwingt die Bauern der Gegend, ihre Grundstücke billig zu verkaufen, und will beim bald stattfindenden „Apfelblütenfest“ dann Käufer für seine neuen Häuser finden. „Sie kriegen für Ihr Geld ein Haus, das fast zerfällt“, reimt Genny da auf ihrer Doku freudestrahlend vor sich hin – und ich habe das Gefühl, daß ich auch vor kurzem eine Immobilie von Herrn Hart besichtigen durfte (in besagtem Haus stammte die Einbauküche noch aus Adenauer-Zeiten, das angekündigte „Atelier“ entpuppte sich als spröde Abstellkammer im Keller, und die versprochene Stellfläche für den PKW hätte eine Betonierung des Vorgartens erfordert). Wo waren wir? Ah ja: Genny will also einen krass guten Dokubeitrag erstellen und läuft deswegen ständig mit der Mini-DV-Kamera herum, was zur Überraschung jedes selig eingenickten Zusehers ganz zum Schluß auch Handlungsrelevanz haben darf.

Hart kommen der Tod von Prof. B. Stechlich und die Serie von Fledermausangriffen natürlich gar nicht gelegen: Wenn sich herumspricht, wie gefährlich der Aufenthalt im Städtchen sein kann, findet er womöglich gar keine Käufer für seine Hütten! Und so sehen wir Hart, wie er schäumend vor dem Polizeichef steht und dem erklärt, daß der Zeitungsbericht über den toten Professor gerade noch unterbunden werden konnte. Hart fuchtelt dabei viel und schreit, knurrt und bellt einen Großteil seines Textes, und man möchte ihm fast den sanften Ratschlag mit auf den Weg geben, daß entkoffeinierte Kaffeesorten sein Leben sicherlich verlängern würden. Jedenfalls setzt Hart den korrupten Polizeichef unter Druck, damit der den Todesfall unter den Teppich kehrt – und danach setzt Hart gleich nochmal die Daumenschrauben an, um sicherzustellen, daß seine Tochter beim geplanten Fest zur „Miss Apfelblüte“ gewählt wird. Ein knallharter Ganove, der Herr!

Während wir uns noch wundern, warum Hart nur bei diesem Fest seine Häuser verkaufen kann – muß er seine Kunden erst entsprechend alkoholisieren, bevor die irgendwas unterzeichnen? Würden die die Immobilien nicht vielleicht lieber einfach mal so besichtigen? – knuspern sich die Fledermäuse so durch die Ortschaft, hier mal ein Hund, da mal ein Wachmann, bis dann Dr. Winslow auf die grandiose Idee kommt, den „Radar“ der Tiere zu stören. Nun könnte man den guten Doktor freilich darüber informieren, daß der Orientierungssinn der Fledermäuse nach Sonar-Prinzip funktioniert und mit Radar nichts zu tun hat – aber das würde ja bedeuten, ihm die Freude zu nehmen, hunderte von kleinen Aluminiumstücken auszuschneiden und dann in die angreifende Menge an Flugviechern zu werfen.

Nur wenig vorher – offenbar ist hier nicht nur der Radar der Fledermäuse gestört, sondern auch mein chronologisches Senkblei! – sehen wir Hart übrigens auch dabei, wie er den netten alten Farmer Kramer vor die Tür setzt: Er steht mitsamt Polizeichef und Mann fürs Grobe um Mitternacht vor der Tür und hält Kramer feixend einen (vorher gefälschten) Vertrag unter die Nase, der besagt, daß der alte Mann jetzt raus muß. Einen Schnitt später sieht man Harts Helfer noch ein letztes Möbelstück auf einen Truck hieven, bevor die Bestätigung kommt: Jetzt ist der ganze Krempel draußen. Wenn dieser einzelne Mann es innerhalb von ein paar Stunden schafft, ein komplettes Farmhaus leerzuräumen und die gesamte Inneneinrichtung auf einen Lastwagen zu stellen, dann sollte er eigentlich die Arbeit bei Kleinganove Hart sofort beenden und stattdessen die sensationellste Spedition der westlichen Hemisphäre eröffnen.

Es sollte übrigens fairerweise nicht verschwiegen werden, daß der Film eher humorvoll aufgezogen ist. Damit die Fledermausattacken nicht zu nervenzerfetzend sind (wenn ihr jetzt mein Auge sehen könntet, würdet ihr bemerken, daß ich zwinkere), werden überall ein paar Späße eingebaut – zum Beispiel der dicke Cop Howard, der so empfindlich ist, daß schon mal ein Krankenwagen an den Fundort einer Leiche bestellt werden muß, um den in Ohnmacht gefallenen Howard abzuholen. Auch nett ist der technikversierte Freund von Genny, der auf die Frage, ob er einen Ultraschallsensor basteln kann, mit verblüfftem „Nie im Leben!“ antwortet – und dann folgenden Hinweis hinterherschiebt: „Aber im Elektroladen kostet sowas nur 30 Scheine“. Recht amüsant ist auch das Zusammenspiel zwischen Dr. Winslow und Abby Parks, die beide so wirken, als hätten sie vor Drehstart folgende Abmachung getroffen: Der eine tut so, als wäre er Tierarzt, die andere tut so, als wäre sie Polizistin, und wer als erster lachen muß, hat verloren.

Der Humor ist es dann auch, der BAT ATTACK halbwegs rettet – ernstnehmen kann man die billig produzierte Angelegenheit ohnehin kaum, auch wenn sie nicht als Parodie oder gezielt als schnoddriger Trash aufgezogen ist. Obwohl also bei den ominösen Flattergeräuschen ebensowenig Spannung aufkommt wie bei den großteils computeranimierten Tierattacken (immerhin sind die größeren Schwärme in den totalen Aufnahmen recht geschickt gelöst), bleibt einem noch das Augenzwinkern – beispielsweise, wenn Dr. Winslow mit dem Tennisschläger eine Fledermaus bekämpft und die dann mit dumpfem „Bonk“-Geräusch gegen den Schrank fliegt.

Das profunde Schlußwort halten wir freilich zurück, bis wir alle anderen Tierhorrorfilme zum Vergleich auch noch gesehen haben.



Bat Attack – Angriff der Fledermäuse (USA 2002)
Originaltitel: Fangs
Regie: Kelly Sandefur
Buch: Jim Geoghan
Darsteller: Corbin Bernsen, Tracy Nelson, Whip Hubley, Katie Stuart, Lukas Behnken, Michael Gregory, Mark L. Taylor, Tony Longo

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    3 Comments

    1. Der Film ist schwachsinnig und total schlecht.

      Aber die Fledermäuse sind süß <3 <3 <3

    2. Ja, schwachsinnig unterschreibe ich dir sofort 🙂 Aber ich bin bei Tierhorrorstreifen wohl mittlerweile sehr, sehr gnädig geworden, wie es scheint …

      Natürlich muß ich irgendwann noch die Fledermaus-Konkurrenz sichten: NIGHTWING (1979), VAMPIRE BATS (2005) und BATS – FLIEGENDE TEUFEL (1999).

    3. Macht die Fledermäuse nicht so unsymphatisch 😛

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