Pseudo-Sequel-Alarm! Dieser eher obskure italienische Horrorfilm trägt im Deutschen den Titel HORROR HOUSE 2 (bzw. alternativ geschrieben HORROR HOUSE II), obwohl man zunächst mal überlegen muß, ob einem schon mal HORROR HOUSE 1 untergekommen wäre. Ah ja: Der dritte Teil von Sean Cunninghams Geisterhausreihe HOUSE hieß bei uns HORROR HOUSE – HOUSE III, und freilich hat unser heutiger Film rein gar nichts damit zu tun. Im Italienischen hieß er nämlich LA CASA 5 und wäre somit sozusagen der fünfte Teil von Sam Raimis EVIL DEAD (der in Italien LA CASA hieß) – aber nein, eigentlich ist’s nur ein weiterer Spukhüttenzauber von Produzent Joe D’Amato, der schon die Filme GHOSTHOUSE und WITCHERY gewinnbringend als Möchtegernfortsetzungen (LA CASA 3 und LA CASA 4) vermarkten konnte. Wie auch die „Vorgänger“ ist dieses Horrorhaus aber ein rein eigenständiger Film.
Wobei „eigenständig“ im italienischen Genrekino ja ein recht dehnbarer Begriff ist, schielen die Bewohner des Stiefellandes doch gerne mal Richtung Amerika und brühen deren Kinosüppchen nochmal in Sparversionen auf, um ein paar schnelle Lire zu machen. Auch HORROR HOUSE 2 orientiert sich an bekannten Vorbildern: Da zieht eine Familie in ein altes Haus in Louisiana ein, in dem es gewaltig spukt – offenbar wurde das Haus auf einem Gelände gebaut, auf dem früher eine Hexenverbrennung stattgefunden hat. Neben den üblichen paranormalen Manifestationen trifft es vor allem den circa zehnjährigen Jungen der Familie, Martin, der plötzlich von einem Dämon besessen ist. Zum Glück ist der Herr Papa Priester – und der erhält Unterstützung von Pater George, einem Kollegen, der nach der Begegnung mit einer dämonischen Kindermörderin in der Todeszelle vom Glauben abgefallen ist und sich mittlerweile dem Alkohol zugewandt hat …
Oh ja, HORROR HOUSE 2 plündert gleich mehrere Motive aus dem Horrorbereich: Das auf dem bösen Boden gebaute Haus mitsamt der merkwürdigen Ereignisse wurde natürlich geradewegs aus POLTERGEIST und AMITYVILLE HORROR importiert – vor allem ersterer mußte hier stramm Pate stehen, verschwindet doch die Tochter der Familie an einer Stelle in einer anderen Dimension, die über einen Durchgang oben im Haus erreichbar ist. Der Dämon, der in Martin einfährt, macht dagegen wahrscheinlich gerade Urlaub von der EXORZISTen-Reihe und darf sich nach dem Austreibungsritual durch einen erfahrenen Priester und einen jüngeren Kollegen auch wieder zum Teufel scheren. Bei so vielen Anleihen fängt man bald an, den Film als großes Horror-Mashup zu lesen: Ist die glatzköpfige Frau aus der Hölle (oder der anderen Dimension, wer weiß das schon so genau) vielleicht vom weiblichen Zenobiten aus HELLRAISER inspiriert – zumal sie „You want to see, you want to understand“ sagen darf, was ja nun ein wenig an Dr. Channards Satz „I have to see, I have to know“ aus HELLRAISER II erinnert?
Ganz so ein müder Abklatsch, wie die Querverweise zu bekannteren Titeln vermuten lassen, ist HORROR HOUSE 2 aber dann auch nicht ganz – der Film mag preiswert produziert und nicht üppigst originell konstruiert sein, aber dennoch merkt man den Filmemachern eine gewisse Ambition an, ihre Geschichte spannend und atmosphärisch dicht zu erzählen. Da gibt es immer wieder stimmungsvolle Bilder und interessante Momente – beispielsweise mit einem riesengroßen schwarzen Schwan, der wie ein Schaukelpferd im Kinderzimmer steht und sich nachts von alleine zu bewegen beginnt. Auch die zombiehaften Hexen, die unsere Hauptdarsteller angreifen, sind zwar simpel gemacht, aber mit Licht und Kostüm durchaus effektiv eingesetzt. Nicht jede Handlungsentwicklung macht vollauf Sinn, aber diesbezüglich neigt der italienische Genrefilm ja ohnehin dazu, mit gewissen Holprigkeiten und Kontinuitätsbrüchen eher auf Stimmung als auf Stringenz zu setzen. Ein paar Mal ist man durchaus an die irritierenden Sprünge in Lucio Fulcis Werken erinnert, wobei HORROR HOUSE 2 freilich nie die bizarre Alptraumlogik eines L’ALDILA entwickeln kann.
Durch die Bank gelungen ist HORROR HOUSE 2 dann nämlich auch nicht, und das liegt nur teilweise am Skript – ein weiteres Problem des Films sind nämlich die Schauspieler. Gene LeBrock (der Familienvater, der aussieht wie eine Mischung aus Christian Bale und Eric Bana) schlägt sich wie seine Filmehefrau Barbara Bingham relativ tapfer, Töchterlein Theresa F. Walker kann man mit zugekniffenem Hühnerauge noch durchgehen lassen, aber Michael Stephenson (der Junge aus TROLL 2!) als Sohnemann Martin stolpert über schlichtweg jede Zeile, die er aufsagen muß. David Brandon als Pater George bemüht sich redlich, und es liegt vielleicht nicht an ihm, daß ich ständig an Richard Burton aus EXORZIST II denken mußte – wobei David Brandon hier ständig schwitzt, weil er einen Alkoholiker spielt, und Burton im anderen Film ständig schwitzte, weil er vor jeder Szene drei bis fünf Gläschen über den Durst getrunken hatte.
Letzten Endes bleibt HORROR HOUSE 2 aber hauptsächlich durch seine allzu billige Machart zurück. Einige Sequenzen zeigen, daß Regisseur Claudio Fragasso (hier einmal mehr unter dem Pseudonym „Clyde Anderson“) durchaus die Fähigkeit hätte, einen durchweg spannenden Film zu inszenieren – aber das Verlangen nach bekannten Strickmustern seitens der Produktion scheint im indirekt proportionalen Verhältnis zum zur Verfügung stehenden Geld gestanden zu sein. Das merkt man nicht zuletzt daran, daß der Score von Carlo M. Cordio komplett aus dem davor hergestellten Streifen WITCHERY übernommen wurde (vielleicht kann auch ich bei zukünftigen Projekten den Komponisten einsparen!). Dennoch bleibt HORROR HOUSE 2 eine Überraschung: Wer hätte gedacht, daß der Autor und Regisseur von TROLL 2 etwas auf die Beine stellen kann, das nach geschicktem Handwerk aussieht?
Die LA-CASA-Reihe endet übrigens hier – zumindest, was die von D’Amato produzierten Filme angeht. In Italien wurden dann nämlich HOUSE II und HOUSE III noch flugs als LA CASA 6 und LA CASA 7 veröffentlicht (während HOUSE IV dann aber nicht etwa LA CASA 8 hieß, sondern CHI HA UCCISO ROGER?). Schall und Rauch …
Horror House 2 (Italien 1990)
Originaltitel: La casa 5
Alternativtitel: Horror House II / Beyond Darkness
Regie: „Clyde Anderson“ (= Claudio Fragasso)
Buch: „Clyde Anderson“ (= Claudio Fragasso), „Sarah Asproon“ (= Rossella Drudi)
Kamera: Larry J. Fraser
Musik: Carlo M. Cordio
Produktion: Filmirage
Darsteller: Gene LeBrock, David Brandon, Barbara Bingham, Michael Stephenson, Theresa F. Walker, Stephen Brown, Mary Coulson
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Ganz toll geschrieben und ein sehr interessanter Einblick in die italienische Vermarktungsstrategie. 😉
Besten Dank! Ja, ein Land, das einen eigenen TERMINATOR 2 herstellt, beweist schon eine ganz eigene Chuzpe im Verkaufen von Filmgut …