Wenn die Billig-Produktionsstätte Asylum schon mal in Österreich einfällt, dann ist uns das natürlich auch einen Bericht wert. Weil Hollywood sich 2012 mit gleich zwei Schneewittchen-Streifen am gegenwärtigen Fantasy-Boom beteiligt hat – Tarsam Singhs MIRROR, MIRROR mit Julia Roberts sowie Rupert Sanders‘ SNOW WHITE AND THE HUNTSMAN mit Kristen Stewart – wollte die Mockbusterschmiede natürlich nicht ins Hintertreffen geraten und reiste nach Niederösterreich, um dort die schöne Gegend für eine weitere Version des Märchens auszunutzen: GRIMM’S SNOW WHITE, der schon mit der blonden Eliza Bennett in der Titelrolle zeigt, daß man sich streng an der Vorlage orientiert hat – „Haare schwarz wie wasserstoffgebleichtes Ebenholz“, hieß es dort ja schon.
Seien wir fair: Natürlich ist es völlig legitim, die Grimm-Geschichte umzudichten und eine eigenständige Fantasy-Story daraus zu basteln – wobei „eigenständig“ ja hier mal wieder so ein dehnbarer Begriff ist. Immerhin sind Grundzüge der Vorlage noch erkennbar: Die böse Stiefmutter, Königin Gwendolyn, trauert hier jedenfalls nicht allzu intensiv um ihren von einem Reptilienmonster verspachtelten Gatten, möchte sie sich doch eigentlich lieber einer legendären Kraftquelle bewältigen und die umliegenden Länder angreifen und unterjochen. Nebenher will sie sich ihrer Stieftochter entledigen, der schönen Snow White, die laut Zauberspiegel Königin Gwendolyn nur zur Silbermedaillengewinnerin in Fragen des „Miss Märchenland“-Awards werden läßt. Und dann ist da noch der aufrechte Prinz Alexander, der wahrscheinlich direkt aus der KING’S-QUEST-Reihe abgeworben wurde: Der bietet Gwendolyn zunächst eine Heirat aus politischen Gründen an (um das Friedensabkommen zwischen den Ländern zu stärken), verliebt sich aber dann in Snow White und hilft schlußendlich der blonden Schönheit, ihren Titel zu verteidigen und die misanthrope Königin in ein Rehabilitationszentrum für pathologische Unruhestifter zu schicken.
Seien wir gleich nochmal fair: Der Film ist nicht halb so übel, wie man es von einer Asylum-Produktion erwarten könnte – und kann tatsächlich mit einem recht stimmungsvoll geratenen Look aufwarten. Einen Anteil daran tragen natürlich die Locations, für die die Firma ja extra nach Österreich gereist ist – aber auch die Bilder selbst sind durchaus sauber inszeniert. Nicht gar so hundertprozentig geglückt sind Ausstattung und Maske – erstere sieht als Teil der Szenerie brauchbar aus, aber die Requisiten, mit denen herumhantiert wird, werden von den meisten Live-Rollenspielen besser gelöst. Was die Maske angeht: Es mag ein geschickter Low-Budget-Schachzug sein, aus den sieben Zwergen eine noch geringere Anzahl von Elfen zu machen, aber wenn deren Ohren dann aussehen wie im Halloween-Shop gekauft und flott aufgesteckt, dann kratzt das doch ein wenig an der Überzeugungskraft des Films.
Aber seien wir auch im vierten Absatz fair: Über weite Strecken kann der Film sein unglaublich geringes Budget durchaus geschickt kaschieren. Erst im Laufe der Zeit fällt immer mehr auf, wie sehr hier Schmalhans Küchenmeister war: Die Königin öffnet bei ihrem Schloß noch höchstselbst die Tür, weil wohl kein Geld für Statisten-Wachen mit entsprechenden Kostümen vorhanden war. Dafür muß sie über einen immens großen und völlig leeren Innenhof marschieren – da kann man den hoffnungsfroh an die Pforte klopfenden Wanderern nur reichlich Geduld wünschen. Noch schöner ist die große Armee, die Gwendolyn dann für den Endkampf zusammenstellt: Neben einer Handvoll Soldaten stehen im Hintergrund noch vier Pferde mit Reitern herum. Kavallerie nach vorne! Und irgendwann sickert einem dann auch, daß das Dorf der Elfen aus exakt einem Bauernhof besteht – wobei die fünf bis sechs Gesellen darin ja auch ausreichend Platz haben dürften.
Wo wir gerade mal fair sind: Die Besetzung des Films funktioniert wunderbar. Jane March (einst in dem Bruce-Willis-Stinker COLOR OF NIGHT recht kleidungsarm unterwegs) gibt eine wundervoll böse Stiefmama ab, Eliza Bennett ist ganz schnuckelig anzusehen, und Jamie Thomas King als Prinz sagt alle seine Sätze auf, ohne dabei sichtlich desorientiert zu wirken. Am meisten Spaß macht es, die österreichischen Nebendarsteller zu erspähen: Eberhard Wagner (DADsDEAD) spielt den abgefrühstückten König, Sebastian Wimmer spielt einen Halbelf als Frodo-Lookalike, Sabine Kranzelbinder (DER ARZT VOM WÖRTHERSEE) taucht als Hausmädchen auf, Otto Jankovich (22:43) spielt den Berater des Prinzen, Thomas Nash (AMS – MUTRIS WELT) pinkelt mutig gegen einen Baum und wird dann vom Reptilienmonster verspeist, und Chris Dohr (Regisseur des Kurzfilms DON RUDOLFO) steht als Dunkelelf auf einer Anhöhe herum, um eine grüne CGI-Flamme zu beschützen.
Okay, vergessen wir das mal mit der Fairness. Trotz derer ist GRIMM’S SNOW WHITE nämlich nur wieder ein weiteres fades Billigspektakel aus dem Hause Asylum mit den typisch aufgesetzten CGI-Monstern und -Effekten. Hier und da mag Heiterkeit aufkommen, aber für echten Trash ist das Schneewitzchen zu straight und eigentlich schon wieder zu passabel gemacht – während es als richtiges Fantasy-Abenteuer dann doch kaum Reize bietet, die nicht anderswo unterhaltsamer und aufregender aufbereitet wären. Die einzige Zielgruppe für das Filmlein bleibt also die Gruppe all jener, die auf Julia Roberts und Kristen Stewart allergisch reagieren – wobei, das sind ja eigentlich doch gar nicht so wenige …
Grimm’s Snow White (USA 2012)
Regie: Rachel Lee Goldenberg
Buch: Naomi Selfman
Kamera: Alexander Yellen
Darsteller: Eliza Bennett, Jane March, Jamie Thomas King, Otto Jankovich, Ben Maddox, Sebastian Wimmer, Frauke Steiner, Sabine Kranzelbinder, Klara Steinhauser, Eberhard Wagner, Bernhard Rusch, Thomas Nash, Chris Dohr
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