Eine Beziehung mit Ablaufdatum, in der dem ungewöhnlichen Sex gefrönt wird – welcher Film aus dem Jahr 1986 fällt einem dazu ein? Ein Schelm, wer grad an 9½ WOCHEN denkt – heute geht es nämlich um ELF TAGE, ELF NÄCHTE von Joe D’Amato bzw. Aristide Massaccesi, der sich von erstgenannterem Film inspirieren ließ, sein eigenes kleines Erotikdrama unters Volk zu bringen. Und das höchst erfolgreich: UNDICI GIORNI, UNDICI NOTTI, wie der Film im italienischen Original hieß, zog diverse Fortsetzungen und Pseudofortsetzungen nach sich und erwies sich als eine der kassenträchtigsten von D’Amatos Produktionen aus den Achtzigern.
Es ist freilich sehr treffend, daß im obigen Absatz beim Wort „Erotikdrama“ ersterer Wortteil groß- und zweiterer nur kleingeschrieben wird: Die erstere Hälfte überwiegt eben. Dabei ist D’Amatos schwachbrüstige Handlung eigentlich wundervoller Sexkapismus: Der recht brave Michael (Joshua McDonald) wird auf der New Yorker Fähre von der feschen Sarah (Jessica Moore) verführt – ein paar tiefe Blicke, kurz um die Ecke gelockt, und schon zeigt sie ihm, daß sie unter dem Mantel rein gar nichts anhat. Es ist der Beginn einer recht stürmischen Affäre, die Michael in eine Krise stürzt – wo er doch in 12 Tagen heiraten sollte! Somit bleiben dem Paar elf Tage und elf Nächte, in denen Sarah den biederen Michael immer wieder aus der sexuellen Reserve lockt und mit ihm ihre Spielchen spielt – und das macht sie, weil sie für das letzte Kapitel ihres Buches „Meine 100 Liebhaber“ Michael als völlig Unbekannten auserkoren hat. Nach ein paar Tagen kommt aber Michaels Verlobte Helen (Mary Sellers) darauf, daß Michael ein Verhältnis hat …
Die erste Hälfte lang ist D’Amatos Film im Grunde genommen eine ganz brillant konzipierte Männerphantasie, das filmische Äquivalent zu einem Penthouse-Leserbrief, wo gewöhnliche Männer von außergewöhnlichen sexuellen Abenteuern berichten: Nicht nur, daß der durchschnittlich gutaussehende, aber wenig bemerkenswerte Michael wirklich wortlos schon nach wenigen Sekunden von der hinreißend schönen Frau verführt wird – die kurze Beziehung zwischen den beiden ist auch eine Art Erweckungsritual für den gutsituierten Spießer, das ihn fast konsequenzenlos in ein Abenteuer stürzt, durch das er den Fesseln des Alltags entkommen kann. Nicht umsonst ist Helen, die Verlobte, als kreuzbrave und im Grunde genommen völlig langweilige, unterwürfige Frau konzipiert, die – auch wenn Darstellerin Mary Sellers (GHOSTHOUSE, CONTAMINATION .7) durchaus fesch ist – nicht als sexuelles Wesen gezeichnet wird. Auch in Hinsicht auf sie funktioniert der Männertraum quasi reibungslos: Als sie von seiner Untreue erfährt, wird sie nicht etwa wütend, sondern bittet ihn verzweifelt, sie wieder zurückzunehmen.
D’Amato, der unter dem Namen „Federico Slonisco“ auch als Kameramann fungiert, weiß genau, wie er die Softsex-Erotik zu verpacken hat – war er doch schon in den Siebzigern mit der höchst erfolgreichen BLACK-EMANUELLE-Reihe auf dem Gebiet tätig und später dann auch mit Erwachsenenunterhaltung expliziterer Natur. Der Look von UNDICI GIORNI, UNDICI NOTTI ist auf eine glatte, grelle Weise reizvoll – es ist ein klarer Achtziger-Jahre-Billiglook, aber darin fängt D’Amato den Traumkörper seiner umwerfend attraktiven Hauptdarstellerin Jessica Moore immer wieder so schön ein, daß das Gefühl einer beweglichen Playboy-Photostrecke entsteht: Ein Schmuddel-Hochglanz, wenn man so will, der irgendwie immer mehr zu versprechen scheint, als dann tatsächlich kommen wird. Auch die Musik von Piero Montanari paßt da perfekt dazu: Da trifft loungiger Jazz auf glatte Synthesizer und Drumbeats, und doch ist das keine plumpe Pornomucke, sondern deutet mit Funk-Saxophon und gestopfter Trompete immer wieder an, daß da etwas unter der Oberfläche passiert.
Spaß hat D’Amato auch ganz offensichtlich an einer gewissen Doppelbödigkeit, die er dem Film gerade in seiner ersten Hälfte verpaßt: Als Drehbuchautoren werden Clyde Anderson und Sarah Asproon genannt – letzteres natürlich exakt der Name, den Moores Figur als Autorin in der Filmhandlung trägt. Damit wird ein gewisser Realitätsbezug impliziert (so wie der ursprüngliche EMMANUELLE-Film ja auf den Aufzeichnungen von Emmanuelle Arsan basierte); tatsächlich stecken hinter den Pseudonymen aber Claudio Fragasso und seine Frau Rossella Drudi. Daß die abenteuerlustige Frau im Film als Autorin bzw. Journalistin arbeitet, ist natürlich ein wenig durch das Vorbild EMMANUELLE bedingt (auch in der BLACK-EMANUELLE-Reihe arbeitete Laura Gemser ja stets als Photoreporterin), aber es chiffriert die Sexualität auch stets als etwas, das entweder mit der Kreativität oder mit dem Entdecken verbunden ist – und somit als etwas, das außerhalb des gewöhnlichen Alltags liegt.
Auch später im Film spielt D’Amato einmal mit Film und Wirklichkeit: Michael kommt in ein Hotelzimmer, wo er mit Sarah verabredet ist – aber dort wartet nur ein Fernseher auf ihn, über den ihn Sarah per Videokassette anzuheizen versucht (sie schafft es übrigens, das mit mehreren Einstellungsgrößen und beweglicher Kamera zu machen, obwohl außer ihr niemand im Zimmer ist). Die Sequenz spiegelt natürlich exakt das wider, was zwischen Zuseher und Film passiert: So wie Michael sitzen auch wir vor einer Filmaufnahme, die uns erotische Reize und Erfüllung verspricht – nur daß im Film, wiederum in einem Moment der clever ausgespielten Fiktion, Sarah in Wirklichkeit im Nebenzimmer wartet und plötzlich in Natura vor Michael steht. Technisch macht sie Szene keinerlei Sinn, als Phantasie dagegen funktioniert sie prachtvoll.
Aber natürlich hat schon jeder geahnt, daß es, wenn ich von einer „ersten Filmhälfte“ rede, auch eine zweite gibt, die weitaus weniger gelungen ausfällt. Der Moment setzt ein, nachdem Helen von Michaels Verhältnis erfährt und dann traurig darum bittet, doch wieder erhört zu werden. Da zeichnet der Film dann ein Dilemma, das angesichts der hemmungslos konstruierten Illusion einfach kaum ernstgenommen werden kann: Michael fühlt sich zwischen beiden Damen hin- und hergerissen; die eine ist die Erfüllung seiner sexuellen Träume, macht ihn mit kleinen Machtspielen aber auch immer wieder zum Narren (wenn sie ihn beispielsweise in einem Hotelzimmer anbindet und nach kurzem Liebesspiel zurückläßt, damit ihn mehrere Stunden später die Putzfrau losbinden muß) – und die andere ein nettes, liebes, anständiges Mädchen, das ihn wahrlich liebt, aber gleichzeitig eben so unglaublich normal und damit langweilig ist. So verbringt der Film dann lange Zeit und viele mit Musik untermalte Montagen damit, Michaels Sinnsuche nachzugehen – bis er dann zum Schluß geläutert zu seiner netten Helen zurückkehren darf, die er sich realistisch betrachtet nicht verdient hat und die wir in Bezug auf die Phantasie aber wohl gerne gegen die aufregendere Sarah eintauschen würden.
Und freilich ist das viel zu viel gedankliche Energie, die auf eine klar als Seifenblase gedichtete Geschichte verwendet wird, deren Hauptzweck es ist, immer wieder aufs Neue die Attraktivität ihrer Hauptdarstellerin ins rechte Licht zu rücken. Auf der Ebene muß man sagen, daß ELF TAGE, ELF NÄCHTE voll und ganz erfolgreich ist – und zum Softsex-Tease gehört ja wohl auch generell dazu, daß man eigentlich gar nicht so viel kriegt, wie man gerne hätte.
Elf Tage, elf Nächte (Italien 1986)
Originaltitel: Undici giorni, undici notti
Alternativtitel: Eleven Days, Eleven Nights
Regie: „Joe D’Amato“ (= Aristide Massaccesi)
Buch: „Clyde Anderson“ (= Claudio Fragasso), „Sarah Asproon“ (= Rossella Drudi)
Kamera: „Federico Slonisco“ (= Aristide Massaccesi)
Musik: Piero Montanari
Darsteller: Jessica Moore, Joshua McDonald, Mary Sellers, Tom Mojack
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