Gruseln mit Umberto: GHOSTHOUSE nennt sich der kleine italienische B-Horrorstreifen, den wir uns heute ansehen, und inszeniert wurde er von Umberto Lenzi unter dem Pseudonym „Humphrey Humbert“ – damit die Sache auch schön amerikanisch wirkt. Gedreht wurde die Spukhausgeschichte nämlich in und um Boston, Massachusetts – und das sogar mit demselben Haus, das schon in Lucio Fulcis Splattersause DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER seinen Bewohnern wenig Glück brachte! Tja, wer ins Haus von Dr. Freudstein tapst, braucht sich eben über übernatürliche Erscheinungen nicht zu wundern.
Starke Nerven erfordert hier aber zunächst mal nicht der Plot, sondern das Titelwirrwarr, das wir mal vorab entflechten wollen: GHOSTHOUSE firmiert in Italien nämlich unter dem Titel LA CASA 3 und gibt sich somit als Quasi-Fortsetzung von Sam Raimis THE EVIL DEAD aus (der in Italien LA CASA hieß). Und weil man sich in Italien ja gerne an bekannte Filmtitel anhängt, befand Produzent Joe D’Amato (oh ja!), daß die Kombination „Haus + Spukgestalten“ durchaus reicht, um sich da ein wenig an Raimis Erfolg anzuschmiegen. (LA CASA 3 ist übrigens nicht zu verwechseln mit LA CASA III – hinter letzterem steckt nämlich ein brav übersetzter HOUSE III, der tatsächliche dritte Teil von Sean Cunninghams HOUSE-Reihe – der freilich nichts mit den vorigen beiden zu tun hat, aber das ist eine andere Geschichte.)
So. Wegen des Erfolgs von GHOSTHOUSE bzw. LA CASA 3 warf D’Amato noch zwei weitere Pseudo-Sequels auf den Markt, die weder etwas mit THE EVIL DEAD noch etwas mit GHOSTHOUSE zu tun hatten: LA CASA 4 von Fabrizio Laurenti (bei uns WITCHCRAFT – DAS BÖSE LEBT) und LA CASA 5 von Claudio Fragasso (bei uns HORROR HOUSE 2 – weil nämlich der schon erwähnte HOUSE III bei uns auch HORROR HOUSE hieß). Puh! In Deutschland reimten sich erst der Video-Verleih Splendid und dann das DVD-Label X-Rated dafür ihre eigene kleine GHOSTHOUSE-Reihe zusammen und klatschten arabische Zahlen auf andere Italohorrorfilme, die nichts mit diesem hier zu tun haben: GHOSTHOUSE 2 – DAS UNGEHEUER LEBT (eigentlich LA CASA DELL’ORCO, der auch als DEMONS III gehandelt wird, obwohl er mit den ersten beiden DEMONS nur den Regisseur gemein hat!), GHOSTHOUSE 3 – HAUS DER VERLORENEN SEELEN (eigentlich LA CASA DELLE ANIME ERRANTI) und GHOSTHOUSE 4 – HAUS DER HEXEN (eigentlich LA CASA DEL SORTILEGIO, auch als TOTENTANZ DER HEXEN 2 bekannt, auch wenn — na, eh schon wissen). Immerhin führte auch bei den letzten beiden Filmen Lenzi Regie. Und weil’s dann eh schon wurscht war, kam der oben erwähnte LA CASA 4 bzw. WITCHCRAFT dann auch noch als GHOSTHOUSE 5 – DAS BÖSE LEBT heraus.
Na, alles klar soweit? Aber ignorieren wir mal das sinnfreie Gewirr aus eigentlich doch komplett eigenständigen Filmen und folgen Umberto in sein Spukhaus. Darin sehen wir gleich zu Beginn zwei garstige Morde passieren: Ein Ehepaar muß daran glauben, nachdem der Herr Papa seine Tochter mitsamt einer kindgroßen Clownspuppe in den Keller gesperrt hat – zur Strafe, weil das Mädchen offenbar die Katze mit dem Messer abgeschlachtet hat. Die erzieherischen Maßnahmen rächen sich aber flugs: Das Haupt des Patriarchen wird mittels einer Axt verbeult, während die Mama zunächst von Splittern eines explodierenden Spiegels getroffen wird und dann noch ein Messer in die Kehle kriegt. Liebe Kinder: Bitte nicht zuhause nachmachen.
Zwanzig Jahre später lernen wir den CB-Funker Paul (Greg Scott) kennen, der zusammen mit seiner Freundin Martha (Lara Wendel) eine verstörende Nachricht empfängt, bei der offenbar ein Mord passiert. Sie können den Ursprung der Übertragung ausfindig machen und fahren also flugs Richtung Boston, wo sie in dem uns jetzt schon bekannten Haus auf vier Freunde treffen, die Urlaub mit dem Wohnmobil machen und sich das verlassene Grundstück näher ansehen wollen. Auch wenn die Stimme der Übertragung eindeutig zu einem der Freunde paßt, kann sich der an keinen solchen Funkspruch erinnern – und doch dauert es nicht lange, bis das Mädchen mit der Puppe wieder auftaucht und die Protagonisten nach und nach das Zeitliche segnen …
Auch wenn Lenzi ein paar zaghafte Giallo-Elemente einflechtet – das rätselhafte Dokument, in diesem Fall eine Tonaufzeichnung, die die Handlung in Gang bringt, oder der schwarzgewandete Tod, der gegen Schluß auftaucht – ist GHOSTHOUSE doch ein ganz klar von amerikanischen Spukgeschichten wie POLTERGEIST oder AMITYVILLE HORROR geprägter Geisterhorror. Es tauchen – mitunter sehr willkürlich – übernatürliche Erscheinungen auf, es gibt vermeintliche Halluzinationen, und das im Haus manifestierte Böse erledigt die Schar junger Leute auf, nun ja, gar schröckliche Art und Weise. Auch der fest im Horrorgenre verankerte gruselige alte Mann darf nicht fehlen – auch wenn er hier nicht wie in FREITAG, DER 13. hilfreiche Warnungen ausspricht, sondern gleich selbst als wahnsinniger Mörder umherzieht.
Leider bleibt GHOSTHOUSE über weite Strecken belanglos und billig. Die Protagonisten sind komplett farblose Gestalten – selbst unser Held Paul ist ein uninteressantes Vakuum ohne Eigenschaften. Da hilft es freilich auch nicht, daß die Gesellen mitunter reichlich hölzern spielen und dann wieder völlig überzögen herumkreischen. Mehr noch aber wird dem Film durch die schnelle Machart die Effektivität genommen: Fast alle Räume und Gänge des Geisterhauses beispielsweise sind brav übersichtlich ausgeleuchtet und erlauben so überhaupt keine visuelle Spannung, ob sich vielleicht in den Schatten etwas verbergen könnte. In dem seit zwanzig Jahren leerstehenden Haus strahlt wirklich jede Lampe einwandfrei! Daß hier mit mehr Zeit und Aufwand eine wesentlich packendere Optik möglich gewesen wäre, zeigt die Tatsache, daß Kameramann Franco Delli Colli nur einige Jahre zuvor bei dem Film ZEDER mit sorgsam komponierter und von Schatten durchzogener Bildgestaltung eine subtil-unheimliche Stimmung schuf – wogegen seine Arbeit bei GHOSTHOUSE einfach ständig nur wie herabgekurbelt aussieht.
Immerhin retten einige Elemente den Film vor dem völligen Aus: Die enervierende, verzerrte Kindermusik mit der rätselhaften Stimme, die immer wieder im Haus zu hören ist, schafft eine gewisse Grundspannung. Hier und da sind auch die gruseligen Geschehnisse recht einfallsreich und effektiv: Wenn das Kind mitsamt Puppe auf einem kleinen Fernseher auftaucht und eine unserer Protagonistinnen anstarrt, ist das durchaus unheimlich, und wenn später eine der Figuren durch den Fußboden kracht und in einer milchigen Suppe mit diversen Totenschädeln landet, ist das ein recht originelles Bild. Freunden blutiger Morde dürfte es bei einigen Sequenzen anheimeln, zum Beispiel bei den beiden unglückseligen Eltern im Prolog. Und auch wenn der Rest der Darsteller durch die Bank platt agiert, ist Donald O’Brien als verrückter alter Mann eine wunderbar schräge Erscheinung, die den Film glatt um ein paar Stufen anhebt.
So funktioniert GHOSTHOUSE wenigstens für dem italienischen B-Kino zugeneigte Genrefreunde als okayer Abendfüller. Wenn das mal keine Empfehlung ist!
Ghosthouse (Italien 1988)
Originaltitel: La casa 3
Regie: „Humphrey Humbert“ (= Umberto Lenzi)
Buch: „Humphrey Humbert“ (=Umberto Lenzi), Cinthia McGavin
Produktion: Filmirage
Darsteller: Lara Wendel, Greg Scott, Mary Sellers, Ron Houck, Martin Jay, Kate Silver, Donald O’Brien, Kristen Fougerousse
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