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[Film] Die Insel der tausend Freuden (1978)

Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger fuhren die Filmteams der Lisa-Film-Produktion gerne in exotische Urlaubsparadiese, um dort nackte Frauen abzufilmen – ganz im Gegensatz natürlich zu heute, wo die Teams in exotische Urlaubsparadiese reisen, um nackten Blödsinn abzufilmen. Die Grenzen sind natürlich fließend. Für DIE INSEL DER TAUSEND FREUDEN ging’s 1978 nach Mauritius, wo die vielbeschäftigten Starlets Olivia Pascal und Bea Fiedler diesmal nicht durch eine Disco-Erotikkomödie oder einen Jodelfilm hüpften, sondern sich einem waschechten Sex-and-Crime-Drama widmen durften.

Es passiert nämlich allerlei Garstiges auf Mauritius: Ein Mr. Howard (Arthur Brauss, der hier unter dem Namen „William Levine“ mitspielt) entführt mit Hilfe seines Lakaien Ming (Otto W. Retzer, diesmal mit recht großer Rolle) die jungen einheimischen Damen, um sie per Schiff zum nächsten Sklavenmarkt zu bringen. Darauf stößt die junge Privatdetektivin Peggy (immer wieder ansehnlich: Olivia Pascal), obwohl sie eigentlich von der reichen Lady Henriette (Lili Muráti, die immerhin DOKTOR SCHIWAGO auf der Vita stehen hat) angeheuert wurde, ein Auge auf den Ehemann ihrer Nichte Julia (auch hübsch: Bea Fiedler) zu werfen: Michel (Philippe Garnier) macht nämlich jede Menge Spielschulden. Was Lady Henriette nicht weiß: Michel hat ein Verhältnis mit Julias bester Freundin Sylvia (die schnuckelige Elisa Servier, die hier unter dem Namen „Marine Mervil“ auftritt und später in David Hamiltons ZÄRTLICHE COUSINEN zu sehen war), und beide planen das Ableben der lieben Tante, um an deren Erbschaft heranzukommen.

Nachdem Regisseur Hubert Frank (dessen Filmographie sich sehr ausführlich un(an-)gezogenen Damen widmet) schon 1977 Olivia Pascal mit dem Film VANESSA zur deutschen EMMANUELLE heranzüchtete, erscheint es fast als logischer Schritt, sie hier ähnlich wie in der BLACK-EMANUELLE-Reihe auch noch zur Schnüfflerin zu machen, die sich mit, räusper, vollem Körpereinsatz der Aufklärung pikanter Kriminalfälle widmet. Frauenhandel, Mord, Intrigen, Vergewaltigungen, eine Prise Voyeurismus und eine kleine Portion Sadismus: Man kommt sich hier eher wie in einem Film von Joe D’Amato oder Jess Franco vor als in einer der luftig-leichten Klamotten, die die Lisa-Film zur selben Zeit so fließbandmäßig produzierte.

Für den Sleaze- und Pulp-Freund wird somit natürlich allerlei geboten. Wobei der Film dann zwar mit all den Geschmacklosigkeiten spielt, die die ganz groben Werke der genannten Filmemacher so üppig bedienen, nur um dann doch wieder den Rückzieher zu machen – meistens in die softe Erotik oder in die reichlich konstruierte Krimihandlung. In einer kurzen Szene beispielsweise wird Peggy von Howard und seinem Mann fürs Grobe gekidnappt – und nachdem man ihr damit droht, eine brennende Glühbirne an den Nippel zu halten, reißt ihr Ming böse lachend ein einzelnes Schamhaar aus, das aus der leicht geöffneten Hose herausschaut. (Otto Retzer freute sich sichtlich, endlich einmal nicht nur einen trotteligen Polizisten spielen zu dürfen.) Aber kurz darauf gibt’s dann doch wieder ganz harmlosen Sex – zum Beispiel, wenn Peggy Michel zu sich einlädt und sich dann kurzerhand mit unter die Dusche stellt. Der schwankende Tonfall spiegelt sich ja schon in der Vermarktung des Films wider: Aushangfotos, Plakat und Filmtitel weisen ja fast gar nicht auf die derb-düsteren Seiten der Story hin, sondern erwecken den Anschein eines weiteren sonnigen Nackedeikomödchens. Warum genau Mauritius angesichts der gezeigten Grobheiten DIE INSEL DER TAUSEND FREUDEN sein soll, erläutert uns die Geschichte freilich zu keiner Sekunde.

Fairerweise dürfen wir noch darauf hinweisen, daß Herr Frank durchaus ein Händchen für die schmuddelige Groschenheft-Atmosphäre hat und aus der Diskrepanz zwischen der malerischen Location und den dunklen Seiten der Story einen gewissen Reiz ziehen kann. Weniger Geschick beweist er bei der Kriminalhandlung an sich: Nicht nur, daß der Plot immer wieder sehr hanebüchen konstruiert ist – er wird auch so mäandernd ausgerollt, daß er nicht einmal dann spannend ist, wenn unsere Hauptfiguren in Gefahr geraten.

Freilich – und dazu stehen wir jetzt einfach mal – macht da zum Beispiel eine sexy schnurrende Strandszene mit Bea Fielder und Elisa Servier für den männlichen Zuseher doch wieder einiges wett. Und wenn ich „wir“ sage, meine ich damit natürlich mich und mein schlichtes Gemüt.



Die Insel der tausend Freuden (Deutschland 1978)
Alternativtitel: Die Insel der 1000 Freuden / Island of 1000 Delights / Triangle of Venus / Sex Fever / Sex Slaves / Savage Inmates
Regie: Hubert Frank
Buch: Jean-Jacques Duval
Musik: Gerhard Heinz
Kamera: Franz Xaver Lederle
Darsteller: Olivia Pascal, Philippe Garnier, „Marine Mervil“ (= Elisa Servier), Bea Fiedler, Lili Muráti, „William Levine“ (= Arthur Brauss), Otto W. Retzer, Scarlett Gunden
Länge: 85 Minuten
FSK: 18

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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