Die Erwartungshaltungen bei Tierhorrorstreifen sind, gelinge gesagt, niedrigst. Mal ehrlich: Wieviele gute Tierhorrorfilme gibt es denn? Klar, da ist Spielbergs DER WEISSE HAI, dem zwölfundsiebzigtausend Derivate folgten und der immer noch jeden Monat vier langweilige Kopien inspiriert. Sicher, davor gab’s von Alfred Hitchcock den brillanten DIE VÖGEL, danach könnte man Joe Dantes PIRANHA als herrlich ironischen Beitrag auf die Liste setzen. Aber dann wird die Luft auch schon bald sehr dünn. Und nicht nur wegen dem Italo-Heuler KILLER CROCODILE von Fabrizio De Angelis rechnet man präventiv schon mal mit dem Schlimmsten, wenn man die Billig-DVD mit dem Titel CROC – DAS KILLERKROKODIL in den Player einlegt. Größtes Alleinstellungsmerkmal des Films gegenüber den unüberschaubaren Mengen an ähnlich gestrickten Creature Features? Michael Madsen spielt mit. Und über den kann man viel sagen – aber nicht, daß er wählerisch wäre, was seine Filmrollen angeht.
Und doch sage ich euch, liebe Gemeinde: Es geschehen noch Zeichen und Wunder. CROC ist nämlich ein absolut gelungener Genrebeitrag. Ach was, gelungen, jetzt lehnen wir uns mal weit aus dem Fenster: Er ist richtig gut gemacht. Daß man das noch erleben darf!
Das titelgebende Krokomobil macht hier Thailand unsicher, wo es schon vor dem Vorspann zwei böse Buben verfrühstückt, die mit Dynamit im Fluß fischen. Gestoppt werden darf das riesige Untier von Jack McQuade, der in einem nahegelegenen Ort zusammen mit seinem Neffen Theo und seiner Schwester Allison einen kleinen Zoo betreibt und da den Touristen Kunststücke vorführt. Unterstützt wird er von der Tierschützerin Evelyn, die erbost ist, daß Jack sich nicht an alle Vorschriften hält – zum Beispiel, was sein Trinkwasser angeht – und später noch von Krokodiljäger Hawkins (Michael Madsen), der schon monatelang hinter dem Vieh her ist und Rache für eine lange Liste an Opfern sucht, deren Photos er auf seinem Boot sammelt.
Alles mal Standard soweit, und auch der Subplot über zwei Bauunternehmer im Ort, die Jacks Zoo schließen wollen, weil sie das Gelände für sich nutzen wollen, fällt nicht allzusehr aus dem Rahmen. Und ja, das Krokodil taucht in regelmäßigen Abständen auf und verspeist diverse Touristen und später dann noch die Schwester des Mädchens, mit dem Theo anbandelt. Wie gehabt darf man auch nicht allzu sehr auf den Einsatz von Profis hoffen – unsere Gruppe muß die Krokodilbeseitigung mal wieder auf eigene Faust bewältigen.
Aber jetzt kommt’s: CROC ist unter Aufsicht von Regisseur Stewart Raffill, der in den Achtzigern den schrägen SciFi-Kult KRIEG DER EISPIRATEN und den spannenden Zeitreise-Thriller DAS PHILADELPHIA EXPERIMENT drehte, absolut sorgfältig und mit Liebe zum Detail gedreht. Die Handlung mag brav bekannten Pfaden folgen, aber Raffill nimmt seine Geschichte tatsächlich ernst – eine nette Abwechslung im gerne pseudo-ironisch gehaltenen Genre – und läßt sich Zeit für die Figurenzeichnung: Jack beispielsweise ist ein durchaus interessanter Held, da er Ecken und Kanten hat – er liebt Tiere, führt aber seinen Zoo nicht absolut perfekt; er schafft es außerdem nicht, seine Steuern rechtzeitig zu zahlen. In einer für das Tierhorrorgenre reichlich untypischen Szene denkt Jack sogar darüber nach, ob sie das Tier wirklich so einfach töten sollten (ansonsten werden ja selbst die letzten ihrer Art ohne viel Aufhebens vernichtet). Selbst Michael Madsen funktioniert hier bestens als Krokodiljäger, weil seine nach 30
Jahren Whiskey und Zigaretten klingende Stimme und sein vor vielen
Jahren mal ansehnliches Gesicht bestens zu seiner Ahab-inspirierten
Figur passen.
Auch technisch steht CROC über seinen Artgenossen, auch wenn der fürs Fernsehen inszenierte Film mit geringem Budget zu kämpfen hat: Die Angriffe des Krokodils sind schnell geschnitten, so daß die preiswerten Effekte doch funktionieren, und oft werden tatsächliche Tieraufnahmen verwendet, die nur hier und da vom kleinen Geld zeugen – zum Beispiel, wenn die Größe des Krokodils nicht konstant bleibt und man anhand der Umgebung sehen kann, daß es sich doch um kein 12 Meter langes Exemplar handelt; oder wenn die Wasserfärbung in verschiedenen Shots mal heller, mal dunkler ausfällt. Hinten im Film gibt es gut gemachte Unterwasseraufnahmen zu sehen, und drumherum holt Raffill viel Flair aus der exotischen Thailand-Location heraus.
Natürlich bleibt CROC ein kleiner Genrefilm – aber seine saubere Inszenierung macht ihn zu einem spannenden, sehenswerten Exemplar dieser Filmgattung, die mit spannenden, sehenswerten Exemplaren nicht gerade reichlich bestückt ist.
Croc – Das Killerkrokodil (USA 2007)
Originaltitel: Croc
Regie: Stewart Raffill
Buch: Ken Solarz
Darsteller: Michael Madsen, Peter Tuinstra, Sherry Phungprasert, Elizabeth Healey, Scott Hazell
Länge: 87 Minuten
FSK: 16
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