Dinosaurierfreund Don Arrigone berichtet im folgenden Gastbeitrag über CARNOSAURUS – den er zusammen mit den beiden Fortsetzungen (hier und hier) auf den Dachboden brachte, um zusammen mit mir Saurierexperte zu werden. Laß hören, Don!
Denken Sie an das Jahr 1993 und an den Begriff „Dinosaurier“. Dann schließen Sie für drei Sekunden die Augen und warten ab, was für ein Film vor Ihrem inneren Auge erscheint. 1 … 2 … 3 … Natürlich, Roger Cormans unvergessenes Meisterwerk CARNOSAURUS. Was? Sie haben eigentlich an JURASSIC PARK gedacht? Bitte, meine Herrschaften, wir wollen doch ernsthaft bei der Sache bleiben.
Der Film beginnt mit Aufnahmen, die wohl einer Tierschutzgruppe entwen– … abgekauft wurden: Hunderte von Hennen, eingesperrt in Legebatterien. Von Zeit zu Zeit stoppt der Film kurz, das Bild verfärbt sich rötlich und irgendwelche wissenschaftlichen Informationen werden eingeblendet. Im Hintergrund läuft schaurige Musik, was wohl heißt, daß entweder die Massentierhaltung oder die Hühnchen an sich böse sind.
Schon bald erfahren wir, daß irgendwas mit dem Federvieh nicht stimmt. Dennoch kommt noch ein LKW voll potentieller Chicken Wings aus dem Komplex. Grund: Der Fahrer will trotz gegensätzlicher Anweisungen dringend nach Hause, ist ja schon spät und so. Persönlich hege ich ja den Verdacht, daß wirklich 90% aller Ärgernisse (verspätete Paketsendungen, verpaßte Züge, nukleare Katastrophen) auf solche Lappalien zurückzuführen sind. Insofern erscheint mir zumindest dieser Aspekt realistisch. Natürlich ist es nun nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu den ersten seltsamen Unfällen kommt.
Inzwischen schlägt sich „Doc“ Smith (Raphael Sbarge), von Beruf Nachtwächter, mit Tierschützern herum. Diese müssen nämlich ausgerechnet die Baustelle, die er bewacht, sabotieren. Wieso der gute Mann „Doc“ genannt werden will, geht aus dem Film übrigens nicht hervor … Herr Genzel und ich vermuten allerdings, daß er gerade an seiner Dissertation in Philosophie schreibt, soviel schwermütiges Geschwafel über Tod und die Sinnlosigkeit des Seins, wie er von sich gibt. Nun, „Doc“ lernt bei einem weiteren nächtlichen Anschlag die Tierschützerin Ann (Jennifer Runyon) kennen, die aber lieber „Thrush“ genannt werden will, das klingt nicht so konform. Da Doc so nett ist, sie nicht an die Polizei zu verpfeifen, kommt es schon bald zum Erblühen einer zärtlichen Romanze und dem intensiven Austausch von Lebensweisheiten.
Eine solche Erkenntnis von Thrush ist beispielsweise, daß ein Tal in der Nähe „Dinosaurierhighway“ genannt wird und deshalb nichts für Menschen sei. Mädel, dann gebt dem Teil doch einen anderen Namen, zum Beispiel „Perfekter-Industriestandort-Highway“. Ich erwähne diese Szene eigentlich nur, um mit meinem literaturkritischen Fachwissen angeben zu können und an dieser Stelle den Begriff „foreshadowing“ einzustreuen.
Inzwischen ist ein Dinosaurier oder Carnosaurier oder was-auch-immer aus einem Hühnerei geschlüpft und geht freudig auf Menschenjagd. Dabei frißt er gleich sämtliche sympathischen Charaktere: ein paar Teenies, die besoffen in einem Geländewagen durch die Wüste rasen und bei erster Gelegenheit miteinander rummachen. Hach, wäre ich doch auch bloß noch mal 18. Spätestens jetzt merken wir auch, daß der Dino in der Muppet-Show besser aufgehoben wäre: Die Teenies müssen während ihrer Schlachtung fröhlich zucken, denn ansonsten könnte dem aufmerksamen Zuseher auffallen, daß der bedrohliche Dino nur eine Gummipuppe ist.
Ein paar Leichen später wird langsam jedem klar, daß die ganzen Kadaver wohl doch nicht auf einen Rotluchs zurückzuführen sind. Doc gelingt es irgendwie, sich in das Labor der Verantwortlichen einzuschleichen, der verrückten Dr. Jane Tiptree (Diane Ladd). Diese hat zwar sage und schreibe drei männliche Mitarbeiter, verwechselt ihn aber trotzdem mit einem von ihnen, zumindest solange, bis er mit einer Pistole vor ihrem Gesicht rumfuchtelt.
Das ist der Punkt, an dem sie Doc natürlich ihren ausgeklügelten Plan verrät. Dafür braucht sie rund 10 Minuten, auch wenn er sich mit „Menschen blöd, Dinos toll“ zusammenfassen lässt. Ihre Mitarbeiterin nutzt die Aufmerksamkeit, um ein Dinoei zur Welt zu bringen. Dr. Tiptree hat nämlich irgendwie die Genstruktur aller Frauen in der Gegend verändert, so daß diese an Stelle von Kindern Echseneier gebären. Klingt komisch, ist aber so. Was erwartet man auch sonst von einer Schülerin von Dr. Moreau (Originalton Tiptree)?
Doc, überzeugter Pazifist, schont dennoch ihr Leben und verläuft sich kurzerhand im Forschungslabor. Dr. Tiptree lässt noch eben den größten Dino des Films los – wer hätte das geahnt, daß die noch etwas Böses vorhat? – und will dann selbst gebären. Allerdings bricht ihr die kleine, schleimige Echse lieber durch die Bauchdecke … und irgendwie kommt mir dieses Bild bekannt vor. Es muß wohl eine Urangst des Menschen sein.
Doc zerschießt indessen ein paar Laserschranken mit einer Handfeuerwaffe (ich habe aufgehört, mich über irgendwas zu wundern) und entflieht mit dem Heilmittel für die Dino-Schwangerschaft. Verfolgt wird er dabei vom Riesensaurier, dem der Ausbruch beinahe mühelos gelingt. Inzwischen hat sich auch das Militär eingeschaltet, da selbst die Regierung irgendwann merkt, wenn etwas massiv aus dem Ruder läuft (hier halte ich den Film ja für etwas unrealistisch).
Damit nähern wir uns dem dramatischen Höhepunkt dieses Meisterwerks, der sich nur mit den Worten „Matchbox vs. Gummi“ beschreiben läßt. Thrush und Doc krallen sich je einen Bagger, um damit den Kampf gegen das Ungetüm aufzunehmen. Werden sie gewinnen? Kann die Krankheit geheilt werden? Und was hat das Militär vor? Alles Fragen, die einen nun bestimmt nicht mehr interessieren – man will nur noch die letzten 5 Minuten rumkriegen, um dann seinen Frust an den Dinosaurierfiguren der Kindheit auszulassen. Ein Film, den keiner braucht.
Carnosaurus (USA 1993)
Regie: Adam Simon
Buch: John Brosnan, Adam Simon
Musik: Nigel Holton
Kamera: Keith Holland
Produktion: Roger Corman (ausführender Produzent), Mike Elliott
Darsteller: Diane Ladd, Raphael Sbarge, Jennifer Runyon, Harrison Page, Ned Bellamy, Clint Howard, Frank Novak
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Sehr unterhaltsamer Beitrag. Bitte mehr davon. 🙂