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[Film] Gaudi in der Lederhose (1977)

„Au weh zwick“, sagt ein guter Freund von mir gerne in tiefstem Niederbayrisch, wenn sich das Unglück schon abzeichnet. Die Worte scheinen mir auch die treffendendsten zu dem vorliegenden – das nächste Wort können wir nur unter Aufwendung allergrößter Großzügigkeit verwenden: – Spielfilm zu sein, der da GAUDI IN DER LEDERHOSE heißt, obwohl von Gaudi wirklich nicht im Entferntesten die Rede sein kann. Der 1977 veröffentlichte Sparschweinfilm wurde von Jürgen Enz gedreht, den wir schon im Zuge des Peter-Steiner-Sexklamauks DIE NEUEN ABENTEUER DES SANITÄTSGEFREITEN NEUMANN kennenlernen durften, und dessen Filmographie sich durch die Bank in einschlägigem Terrain bewegt.

Dabei fängt ja alles noch ganz harmlos an. Der Knecht Karl wird in die Großstadt geschickt, um den Onkel Fritz vom Bahnhof abzuholen. Kaum in München angekommen, flaniert Karl auch schon in einen Sexshop, wo er die zahlreichen ausgelegten Magazine mit den Worten „Do legst di nieder“ kommentiert. Die Verkäuferinnen des Ladens machen Karl auch gleich Avancen, aber daß die forschere der beiden auch gleich ihre Oberweite zur Begutachtung auspackt, scheint den Mann vom Land dann doch eher zu verstören, weshalb er flotten Fußes die Flucht ergreift. Leider ist nicht ersichtlich, wie dieser spannende Laden heißt, aber Suchfreudigen sei als Hinweis verraten, daß er sich in der Nähe vom Odeonsplatz befinden muß, der anfangs in einem Establishing Shot gezeigt wird. Man könnte natürlich Pech haben und auch heute noch dieselben beiden Damen dort antreffen.

Karl geht also zum Bahnhof und wird dort von einer beleibten Frau angesprochen, die er fragt, ob sie der Onkel Fritz ist. In Wahrheit ist sie aber natürlich Tante Trudchen, und mit Fritz im Schlepptau gehen die drei dann flott noch in ein Striplokal, wo Trudchen sozusagen handgreiflich wird und Karl unter der Lederhose befingert. Karl wehrt sich nicht wirklich, aber er sieht ungefähr so aus, als wollte er gleich „au weh zwick“ sagen.

Nach nur kurzem Schnitt sitzen Karl, Fritz und Trude auf dem Nachhauseweg auf einer Bank im Grünen, wobei die beiden Männer der dicklichen Dame jeweils von links und rechts an die blanke Brust greifen. Eigentlich schön, wenn so schnell Freundschaften intensiviert werden – aber ganz gleichberechtigt geht die Veranstaltung dann doch nicht weiter, weil sich Fritz und Trudchen im Gras vergnügen, während Karl von der Bank aus zusehen und sich um sich selbst kümmern muß. Nun würde ich es ja theoretisch sofort unterschreiben, daß sich nicht jede in den Medien gezeigte Frau an die knallharte Schönheitsdiktatur anzupassen braucht – aber praktisch gesehen wäre ich wohl ausgeglichener geblieben, wenn ich die pummelige Trude nicht so ausgiebig nackt hätte herumturnen sehen. Merke: Sexfilme sind nicht der geeignetste Startpunkt, um mehr Akzeptanz für beleibte Mitmenschen zu erwirken.

Auf dem restlichen Weg nach Hause ereignet sich dafür gleich die schönste — nein, wartet mal — die einzig schöne Szene des gesamten Films. Der Dorfdepp Wasti (gespielt vom späteren TATORT-Kommissar Dietz Werner Steck!) kommt hinter dem Pferdewagen hergeradelt und geht mit debilem Grinsen folgenden Dialog mit Karl ein:

Wasti: Woaßt, wos is‘?
Karl: Na?
Wasti: I scho! A Ries’nkroch is‘!
Karl: So?
Wasti: Woaßt, wo?
Karl: Na?
Wasti: I scho! Bei der Beirin!

Ob ich eine Übersetzung für unsere nicht des Bayrischen mächtigen Leser anbieten sollte? Na schön:

Sebastian: Weißt du, was los ist?
Karl: Nein?
Sebastian: Ich schon! Ein Riesenkrach hat stattgefunden!
Karl: Ach so?
Sebastian: Weißt du, wo?
Karl: Nein?
Sebastian: Ich schon! Bei der Landwirtin!

Zum Abschluß fährt der gute Wasti mit seinem Fahrrad noch in den Straßengraben und fällt von seinem Gefährt, woraufhin er zu Protokoll gibt: „Kaum denkst an die Weiber, scho‘ liegst am Orsch“.

Angesichts soviel neorealistischer Zeichnung des landwirtschaftlichen Alltags wollen wir auch gar nicht detailliert auf die folgenden vielen Filmminuten eingehen, in denen sich der Frohsinn so ganz und gar nicht einstellen mag. Die Figuren vergnügen sich mühsam miteinander, und die Kamera filmt das Prozedere bleiern statisch ab. Freilich würde es helfen, wenn einige der Menschen, die sich hier fast pathologisch entkleiden, nicht derart unattraktiv wären, daß man sie selbst angezogen gar nicht sehen wollte. Aber selbst die paar Darsteller, die nicht nur ein Gesicht für’s Radio haben, plagen sich in und mit ihren Szenen so freudlos ab, daß man sich ein Voiceover von Oswalt Kolle herbeisehnt, der den Jungs und Mädels endlich mal erklärt, wie es stattdessen gehen könnte.

Die Wirkung dieses qualvollen Films, in dem sich eine Bäuerin irgendwann großes Gebäck an Stellen klemmt, wo es bestimmt nichts verloren hat, und ein großer Knecht mit dem Gesicht voran im Pferdemist landet, läßt sich wohl am ehesten an der Reaktion eines nichts ahnenden Probanden demonstrieren, der hier aus Gründen der Anonymität nur mit dem Namen „Peter L.“ genannt werden soll. Der hat nach langen Minuten, in denen er sich wohl die nächste betäubungslose Wurzelbehandlung herbeigesehnt hat, deklariert: „Ich möchte nie wieder Sex haben“. (Konsequenterweise werde ich mich natürlich bemühen, Peter L. regelmäßig an diesen Vorsatz zu erinnern, und hoffe zusätzlich, daß er diesen Text zur Stärkung des Rückgrats ausdrucken und stets bei sich tragen wird.)

Und ich sehe es natürlich kommen: Wie so oft werden eifrige Leser meine warnenden Worte als Empfehlung mißverstehen. Nun gut, dann rennt mal los und schaut euch das Spektakel an. Aber für ein etwaig traumatisiertes Liebesleben übernehme ich keine Verantwortung.

Es sei übrigens noch darauf hingewiesen, daß der Film den Eindruck macht, als gäbe es eine noch längere Fassung mit expliziteren Szenen. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich mich nicht sofort auf die Suche danach begebe. Sollte jemand im Besitz dieser Version sein … au weh zwick.

Gaudi in der Lederhose (Deutschland 1977)
Regie: Jürgen Enz
Darsteller: Christa Abel, Karl Schwarzmayer, Sepp Gneissl, Ginny Noack, Emma Seidl, Dietz Werner Steck

FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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