Uncategorized

Island of the Living Dead (2006)

Bruno Mattei war das, was man wohl am treffendsten mit dem Begriff „Stümper“ umschreibt. Der frühere Cutter hat als Regisseur und Autor mit Schwung so ziemlich alles gedreht, was gerade gefragt war und sich leicht von weitaus hochwertigeren Vorbildern abkupfern ließ: Ob Zombiefilm oder Frauengefängnisdrama, ob Actionreißer oder Mondoschocker, der gute Bruno ließ wenig anbrennen und lieferte meist mit kleinsten Budgets wundersame Heuler ab – holprig inszeniert und zusammengestöpselt, gerne mal aus amerikanischen Vorbildern komplette Dialoge und Handlungsstränge zusammengeklaut, oder dann auch mal schmissig mit Archivmaterial aus ganz anderen Filmen ausstaffiert. In seinen letzten Jahren wurde Mattei zusammen mit Produzent Gianni Paolucci plötzlich nochmal sehr aktiv: Rund um die Welt drehte er mit Winzbudgets und Digitalkamera noch eine Reihe von billiger Genreware, die quasi das italienische Exploitationkino nochmal Revue passieren ließen: Zombies, Folter, Sex, Kannibalen und Frauengefängnisse. Was für ein Vermächtnis.

ISLAND OF THE LIVING DEAD ist Matteis vorletzter Film, und es ist freilich eher ungeschickt gemacht, daß auf dem Cover ein modriger Zombie die Zähne fletscht und darunter „Regisseur Bruno Mattei“ steht, als wär’s ein Promifoto aus der Bunten. In dem auf den Phillippinen gedrehten Untotenspektakel strandet eine Bootsbesatzung auf einer ominösen Insel, wo vor 400 Jahren unter spanischen Soldaten die Zombieseuche um sich griff. Die Crew rettet sich vor den wiederauferstandenen Conquistadoren in eine Festungsruine, wo aber ebenso mysteriöse Dinge vor sich gehen …

Nun war Bruno ja schon seit jeher noch mehr um eigene Ideen verlegen als seine Filmkollegen – Matteis CONTAMINATOR beispielsweise weckt nicht nur vage Erinnerungen an Camerons ALIENS – und so überrascht es auch auf der ISLAND OF THE LIVING DEAD kaum, daß diverse Szenen und Abläufe fast 1:1 aus dem Film GHOST SHIP abgeschrieben wurden. Gleich zu Beginn die Sequenz, als die Bergungscrew mit ihrem Schiff plötzlich auf die Insel stößt, ist exakt so gelöst wie der Moment, wo in GHOST SHIP das Geisterschiff gefunden wird. Später sehen wir beispielsweise die Sequenz wieder, wo der Kapitän in einem stillen Kämmerlein ein Gläschen Hochprozentigen mit einem Geist hebt (in GHOST SHIP war es der Kapitän des Geisterschiffes, hier ist es der frühere Anführer der Conquistadoren), und ebenso die Szene, wo das schwarze Crewmitglied von einem erscheinenden Geist musikalisch verführt und dann umgebracht wird (weil es in der Festung keine Fahrstuhlschächte gibt wie auf dem Geisterschiff, wird hier preiswerterweise einfach nur das Messer gezückt). Obwohl es hier eigentlich um Zombies geht und nicht um Geister, wird der Unterschied einfach mal nicht so genau genommen, und somit spukt es eben einfach noch ein bißchen im Zombiefort. Wenn man nicht jede Geisterszene schon mal gesehen hätte, wäre es eine fast reizvolle Idee.

Aber zum Glück klaut Mattei nicht nur bei GHOST SHIP. An einer Stelle packt ein Zombie eine Frau und zerrt sie in Richtung Türrahmen, wo sich ihr Auge dann einem großen Holzsplitter nähert. Aber vielleicht ist es nur Zufall, daß die Sequenz so sehr an Lucio Fulcis ZOMBIE erinnert – wo doch nur in letzterem Film Auge und Splitter sich tatsächlich begegnen! Noch früh im Film läßt Mattei auch zwei Leute über den Conquistadoren-Friedhof wandern, und während sich die Frau gruselt, ruft der Mann: „They’re coming to get you!“ – woraufhin auch brav der erste Zombie auftaucht. (Wenn man wohlwollend ist, kann man den Romero-Moment natürlich auch als intertextuelle Referenz verstehen.) Und an einer Stelle übernimmt Mattei sogar eine Szene aus seinem eigenen Zombiefilm HELL OF THE LIVING DEAD (wo auch schon ein forscher Mensch den Zombies gefährlich nahegekommen ist und sie mit hingehaltenem Arm ärgern will). Von sich selbst zu klauen nennt man „Stil“, heißt es ja, und wenn Brunos Stil das hemmungslose Abfrühstücken filmischer Vorbilder beinhaltet, dann kann man getrost sagen, daß er sich hier völlig treu bleibt.

Aber unterhalten wir uns doch mal ein wenig über die agierenden Charaktere. Sagen wir es mal freundlich: Die nette Truppe hätte frühmorgens wohl schon ihre Schwierigkeiten damit, eine Packung Frühstücksflocken zu öffnen und die Milch dann nicht direkt in die Schachtel zu gießen. Die geistige Herausforderung beginnt schon gleich beim ersten Zombieangriff, wo ein einzelner Untoter angewankt kommt, während zwei Personen hilflos herumstehen und ein Dritter versucht, der modernden Gestalt mit ein paar Karatetritten beizukommen. „Wir müssen ihm helfen“, beschließt die Frau, und dann rennen sie weg und lassen ihre Kumpel alleine mit dem Zombie, anstatt den irgendwie zu dritt anzugreifen. Irgendwo im Wald hören sie dann einen Schrei, bleiben stehen und diskutieren: „Wir müssen zurück und ihm helfen!“, sagt die Frau; „Nein, er hat sein Leben für uns gegeben und wir müssen die Chance nutzen“, spricht der Bursche, und während ihrer Ausdiskussion kommen im Hintergrund schon diverse Zombies angestolpert. Nur wenig später wird der Junge, der alleine auf dem Schiff versucht, die Maschinen zu reparieren, von Zombies angegriffen, und drückt einfach sicherheitshalber auf einen roten Knopf, woraufhin sich das Schiff in riesiger Explosion verabschiedet. Ich sag’s ja immer: Auf solchen Knöpfen sollte zumindest die Aufschrift „Vorsicht“ gut lesbar angebracht sein.

Nachdem sich die Besatzung vor den Untoten in die Festung in vermeintliche Sicherheit gebracht hat, verbringen die einzelnen Leute sehr viel Zeit damit, alleine durch die Gänge zu schleichen und sich stets aufs Neue überrascht zu zeigen, wenn sich irgendwo wankende Gestalten verstecken. Der Schwarze aus der Truppe, der gerade eine Art Zombiegeistererscheinung beobachten konnte, berichtet seinen Kollegen davon, die auch prompt an seinem Geisteszustand zweifeln: Übernatürliche Geschehnisse? Hier? Auf dieser kleinen Zombieinsel?? Unterdessen findet einer der Burschen unten im Keller diverse große Weinfässer und beginnt sofort, sich mit dem guten Tropfen vollaufen zu lassen (günstige Gelegenheit übrigens, die Madenszene aus GHOST SHIP aufzuwärmen). Irgendwann findet die Truppe einen wertvollen Déjà-Vu-Goldschatz und faßt den Plan, ein Floß zu bauen, um die Insel zu verlassen. Diverse aus einem bereits erwähnten Film entliehene Komplikationen sorgen aber dafür, daß der Kapitän ausflippt und dann eingesperrt wird. War das jetzt bevor oder nachdem eine der Figuren verkündet hat, er muß mal raus und ein wenig frische Luft schnappen? Ach, das ist ja alles so komplex.

Im einleitenden Absatz versteckten sich ja bereits zwei Wörter, die auf die technische Qualität des Films schließen lassen: „billig“ und „Digitalkamera“. In der Tat bietet ISLAND OF THE LIVING DEAD einen wunderbar studentischen Videokamera-Look, der freilich durch die preiswerten Sets (wir verwenden das Wort im großzügigsten Sinne) und die nicht minder weltspartagsinspirierte Ausstattung eine adäquate Entsprechung findet. Dabei ist Kameramann Luigi Ciccarese noch der unbestrittene Held des Tages: Immerhin schafft er es, die Bilder stimmungsvoll auszuleuchten. Richtig anstrengen tun sich allerdings auch die Darsteller, die viel grimassieren und gestikulieren und dabei wirklich nur ein ganz klein bißchen zurückgeblieben wirken. Hauptdarstellerin Yvette Yzon füllt ihren Lebenslauf übrigens neben einer kleinen Handvoll phillippinischer Produktionen hauptsächlich mit dem Spätwerk von Bruno Mattei aus, was man wahrlich nur als tapfer bezeichnen kann.

Wer übrigens noch nicht mitbekommen hat, daß ISLAND OF THE LIVING DEAD ein wunderbares, tränenreiches Vergnügen ist, dem ist wahrlich nicht zu helfen. Rest in Peace, Bruno. Wir vermissen dich.

Island of the Living Dead (Italien 2006)
Originaltitel: L’isola dei morti viventi
Regie: „Vincent Dawn“ (= Bruno Mattei)
Buch: Antonio Tentori
Kamera: Luigi Ciccarese
Darsteller: Yvette Yzon, Alvin Anson, „Ronald Russo“ (= Gaetano Russo), Ydalia Suarez, James L. Gaines Sr., Miguel Franco, Thomas Wallwort
Länge: 94 Minuten
FSK: 16

—————–
4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %