Am Anfang seiner Karriere hat er – wie so viele italienische Regisseure, die in Auftragsarbeiten beliebter Genres ihre ersten Chancen wahrnahmen – Historien-Abenteuerschinken inszeniert; später dann folgten Agentenfilme, Krimis, Thriller, Komödien, Horrorfilme, Kriegsdramen und Actionspektakel. Darunter sind einige absolut gelungene Werke (ich mag z.B. den Giallo LABYRINTH DES SCHRECKENS), einige ganz und gar nicht gelungene Filmchen (schon in den Frühtagen dieses Blogs wurde hier über KOMMANDO SCHWARZER PANTHER und BRIDGE TO HELL hergezogen), und sehr viel handwerklich solides B-Kino, das für die Dauer der Lauflänge klar in Ordnung geht.
Wenn es also nicht die erwähnten beiden fiesen Kannibalenstreifen gäbe, wäre IM TEMPEL DES WEISSEN ELEFANTEN wohl kaum der Rede wert: Es wäre schlichtweg einer unter Dutzenden, wenn nicht Hunderten von historischen Abenteuerfilmen, die vor allem in der ersten Hälfte der Sechziger aus Italien kamen. Die Crews waren versiert und eingespielt; die Produktionen ratterten die Stoffe am Fließband herab; wenig Chance also für einen jungen Regisseur, viel verkehrt zu machen – aber auch ebensowenig Raum, eine eigene Handschrift einzubringen. Herkules, Samson, Robin Hood, Sandokan, Zorro und jeder andere halbwegs historisch zu verortende Held wurde durch Kämpfe und Schlachten geführt, die sich selten mit geschichtlicher Genauigkeit aufhielten und mit ihrem kleinen Budget stets dieselben Schauwerte lieferten: Farbenfrohe Kostüme in Pappkulissen, ein paar Kämpfe, ein bißchen Liebesdrama, muskulöse Heldenfiguren und schöne Frauen, die gerettet und edelst geliebt werden wollen.
IM TEMPEL DES WEISSEN ELEFANTEN ist in Indien angesiedelt, wo eine Sekte das Land unsicher macht und die britischen Eindringlinge vertreiben will. Gleich zu Beginn werden ein britischer Offizier und seine Geliebte, die Tochter eines Diplomaten, entführt, und es liegt am Soldaten Richard Ramsey, beide wieder zu befreien und die Sekte zu zerschlagen. Weil die sich aber in einem Geheimversteck verschanzen, muß Ramsey selber zum Outlaw werden, um Zugang zur Sekte und Eintritt in ihren Tempel zu kriegen – wozu er eine indische Prinzessin und ihren Wächter an die Sekte verrät, die auch den Bruder der Prinzessin gefangenhalten.
Viel Platz also für Drama, exotische Locations und erbitterte Kämpfe. Lenzi liefert alles handwerklich geschickt ab, weshalb der Film ungefähr so solide ist wie zehn Dutzend andere dieser Spektakel: Es gibt keine Holprigkeiten, aber dafür eben auch wenig Highlights. Wobei es heutzutage ohnehin schwer ist, bei den alten Kostümabenteuern noch mitzufiebern: Zu hölzern stehen die Darsteller steife Reden schwingend in den offensichtlichen Kulissen, zu wenig involvierend sind die immer gleichen Geschichten, und zu abgeklärt sind wir heute, als daß bemaltes Pappmaché und ein wenig dekorative Flora uns ein atemberaubendes Bild von Indien (respektive, in den anderen Filmen, dem historischen Griechenland, Italien, England, usw.) bescheren könnten.
Es bleibt der unbestreitbare Charme der etwas angestaubten Streifen, der 85 Minuten lang durchaus trägt. Und als Randnotiz sei fairerweise noch erwähnt, daß das Drehbuch Ramseys Plan, sich als Outlaw beim Tempel einzuschleusen, nicht vorher schon im Detail diskutiert: Es bleibt dem Zuseher überlassen, Ramseys Ziele und Motivationen herauszufinden. Nicht, daß es wahnsinnig schwer wäre, den Auftrag des Helden in einem solchen Film zu erkennen – aber es ist doch schön, wenn ein Film uns nicht gleich alles im Vorfeld per Bedienungsanleitung erklärt.
In diesem Sinne noch drei Anmerkungen:
Der vielleicht einzige herausstechende inszenatorische Einfall in diesem Film: Während der anfänglichen Kampfsequenz sehen wir Soldaten und Sektenmitglieder im erbitterten Gefecht. Nach einer Nahkampfrangelei kommt hier plötzlich ein Gewehr ins Bild, direkt bei der Kamera, und schießt auf den Überlebenden: Der Effekt involviert in das Geschehen und nimmt den Egoshooter ein paar Jahrzehnte vorweg. (Jetzt muß man freilich abgleichen, inwieweit der Effekt vor 1964 schon im Western eingeführt wurde.)
Ich bewundere das gelungene Versteck des Herren auf der linken Seite. Da sind wir inszenatorisch schon bald beim Theater.
Und zum Abschluß: Der Junge, der so sehr nach Dawson Leary aussieht, ist der Held der Geschichte und wird von Sean Flynn gespielt, dem Sohnemann von Errol Flynn. Sean Flynn hat nur einige B-Filme auf dem Kerbholz, reiste dann als Kriegsberichterstatter nach Vietnam und verschwand dort. Man geht davon aus, daß er nahe der Grenze zu Kambodscha gefangengenomen und getötet wurde, aber vollständig geklärt wurde der Fall nie. Ich will mehr über diese Sache wissen.
Im Tempel des weissen Elefanten (Frankreich/Italien 1964, Regie: Umberto Lenzi)
Originaltitel: Sandokan il Maciste della guingla
Darsteller: Sean Flynn, Alessandra Panaro, Marie Versini, Mimmo Palmara
Länge: 85 Minuten
FSK: 12
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