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HALLOWEEN – RESURRECTION: Kein Nerv für echten Horror

Die erste Minute lang macht sich eine wunderbare Vorfreude breit. Der Vorspann beginnt, und darüber läuft John Carpenters klassisches HALLOWEEN-Thema, dieses so simple und nervenaufreibende Pianomotiv, neu arrangiert von Danny Lux, mit düsterem Ambientbackground und klingenscharfem Sounddesign. Vielleicht ist es eine Art Konditionierung, daß man bei dem Thema Großartiges erwartet, auch wenn das ganz streng genommen nur ein einziges Mal wirklich eingelöst wurde.

Aber, was soll man sagen – dann beginnt der Film. Und das gleich auf dem ganz falschen Fuß. Nun hatte ja HALLOWEEN H20, der Vorläufer und siebte Teil der Serie, die Geschichte mit einem gelungenen Schlag eigentlich beendet: Jamie Lee Curtis, Heldin der ersten beiden Filme und natürlich der größte emotionale Bezugspunkt zur Serie, ist fertig mit Flüchten und Fürchten vor ihrem psychopathischen Bruder Michael Myers, greift mit Mordlust zur Axt und schlägt dem Kerl den Kopf ab. Schnitt und Abspann. Das saß als adrenalinreicher Schlußpunkt ihrer Figur ebenso wie als logische Konsequenz der bislang gescheiterten Versuche, Myers zur Strecke zu bringen: Was macht man sonst noch mit einem Stehaufmännchen, das schon erschossen und in die Luft gejagt und auch sonst vielfach erledigt wurde und doch wie der Coyote in der nächsten Episode wieder aufs Neue angeschlichen kommt?

Laurie Strodes (Jamie Lee Curtis) letzte Begegnung mit Michael Myers.

Zum Zwecke der Fortsetzung muß also HALLOWEEN: RESURRECTION das Ende negieren: Es war gar nicht Myers, der da geköpft wurde, sondern ein armer Sanitäter, der die Maske übergestülpt bekam und sich dank zertrümmertem Adamsapfel nicht zu erkennen geben konnte (hätte er die Maske nicht einfach abnehmen können? Oder die Arme nach oben strecken können?). So vegetiert Jamie nun also in der Nervenheilanstalt dahin und wartet darauf, daß Myers sie wieder heimsucht. Natürlich macht er das auch prompt, bringt einige Wärter um, und wird dann von Jamie in eine Falle gelockt – aber weil sie nicht noch einmal denselben Fehler machen will, versucht sie, seine Maske abzunehmen. Dabei kann er sie packen und umbringen. Was für ein unwürdiges Ende für die vielleicht ikonischste Slasherfilm-Heldin.

Dann erst beginnt die eigentliche Geschichte, und die ist von vorne bis hinten eine Demonstration völlig verpaßter Chancen. Eine Gruppe von Teenagern soll die Halloween-Nacht im alten Haus von Michael Myers verbringen – Haus wie Personen sind dabei mit kleinen Kameras ausgestattet, um die Nacht als Internet-Stream für die Website „Dangertainment“ zeigen zu können. Was die Produktionsfirma allerdings nicht geplant hat, ist die Tatsache, daß Myers selbst im Keller des Hauses lebt und die Eindringlinge der Reihe nach ermordet – vor den Augen der Internet-Zuschauerschaft.

Produzent Freddie (Busta Rhymes, mit Tyra Banks) stößt auf den Erfolg seines Reality-Horrorprojekts an.

Wo fangen wir an? Die Idee des Internet-Streams verleiht dem Film eine gewisse BLAIR-WITCH-Ästhetik, wobei die Kameraperspektiven der Protagonisten nur kurz zu sehen sind und ansonsten in eine herkömmliche filmische Erzähl- und Inszenierungsweise eingebunden sind – vermutlich besser so angesichts der unscharfen und verwackelten Clips, in denen dank des geringen Lichts ohnehin meist kaum etwas zu erkennen ist. Nur leider wird die Big-Brother-Horroridee nie wirklich behandelt: Es sitzen eben in der zweiten Filmhälfte einige Teenager auf einer Party vor dem Schirm und kommentieren das Geschehen, was die Prise Ironie in den Film bringt, den sich die Post-Slasher freilich allesamt von SCREAM abschauen mußten. Da werden Special Effects in Mordszenen kritisiert und das gute Spiel der Hauptdarstellerin gelobt, die angstschreiend vor Myers davonläuft. (Der Handlungsstrang hat letztlich den Zweck, daß einer der Zuseher der Hauptfigur per Handy-Textnachrichten Informationen über den Aufenthaltsort von Myers geben kann.)

Aber warum wird die Idee nicht in irgendeiner Form thematisiert, wo doch soviel Vorlage vorhanden wäre? Was gäbe es zum Thema „inszenierte Angst“ zum Zwecke der Unterhaltung zu sagen? Was gäbe es zur geschmacklosen Sensationsgier eines Produzenten (und somit: eines Medienapparats) zu sagen, der einen tatsächlichen Tatort für seine Show ausnutzt und dafür noch mit einschlägigen Requisiten präpariert? Was kann man aus der öffentlichen Faszination für Mörder und Serientäter herauslesen? Und was könnte man über den Voyeurismus der Zuseher sagen, die mit der Zeit merken, daß die gezeigte Angst echt ist? Gerade in letzterem Punkt würde sich beispielsweise die Vorlage für einen ganz realen und zynischen Horror bieten: Wie wäre es denn gewesen, wenn mehr Zuseher dazukommen, sobald klar wird, daß die Show echt ist, und die sich dann in sicherer Distanz zum Geschehen am grausamen Spektakel weiden? Und in Fortführung des Gedankens: Würde die Produktionsfirma das Geschehen dann manipulieren, um die Show noch erfolgreicher zu machen?

Studentin Donna (Daisy McCrackin) durchsucht das Myers-Haus.

Klar, wir sehen, wie der Produzent (Busta Rhymes) geisterbahnähnliche Schreckmomente ins Haus gebaut hat und dann mit Myers-Maske durch das Geschehen stapft, um die Teenager zu erschrecken. Aber das tut er natürlich in völliger Naivität. Auch die Dopplung der Myers-Figur wird kaum ausgereizt: Da gibt es eine absurde Szene, wo der Produzent mit Myers-Maske den echten Killer anbrüllt, weil er glaubt, daß es ein Produktionsassistent ist, der ebenfalls als Myers im Haus umgeht. Myers hört sich das Beleidigungsgewitter des Produzenten eine halbe Minute lang an und geht dann aus nicht nachvollziehbaren Gründen einfach wieder weg. Und natürlich kämpfen die Teenager später mit dem falschen Myers, aber der kann sich rechtzeitig zu erkennen geben, bevor etwas Schlimmes passiert.

Für den echten Horror fehlt dem Film schlichtweg der Nerv – es werden nur die bekannten Slasher-Situationen von A bis Z durchexerziert, natürlich stets mit plötzlicher lautstarker Musik, sobald etwas passiert. Aber nirgendwo wird etwas wirklich Schreckliches gezeigt, nie werden wirklich Abgründe ausgelotet. Selbst in der Inszenierung der Morde hat Regisseur Rick Rosenthal (der bereits HALLOWEEN II drehte, obwohl dort dann Carpenter selbst einige Szenen nachdrehte und änderte) nie den Mut, den Zuschauer wirklich nervlich zu belasten oder irgendwie emotional zu involvieren: Überall herrscht nur das müde „Kleine-Negerlein“-Abhaken der Figuren, die uns dank völlig fehlender Charakterisierung nie vertraut und somit herzlich egal sind. Noch zu Beginn wird eine Figur von Myers mit einer Art Harpune gegen die Wand gedrückt und umgebracht, aber der Film schneidet immer wieder zu einer Angestellten der Produktionsfirma, die freilich nicht auf den Monitor schaut und somit dem armen Jungen nicht helfen kann. Ich denke da im Vergleich unwillkürlich an eine Sequenz mit einem Bohrer aus Lucio Fulcis CITY OF THE LIVING DEAD – wie beharrlich Fulci sich geweigert hat, wegzuschneiden und uns als Zuseher in Sicherheit zu bringen, und wie lange er suggeriert hat, daß die Rettung noch kommt, indem er einfach gar nichts hat passieren lassen. Wieviel effektiver die Sequenz doch inszeniert ist, und wie sehr sie den Zuseher doch mitnimmt.

Michael Myers wartet schon auf Sara (Bianca Kajlich).

Natürlich ist das alles viel zu viel verlangt für ein Sequel von der Stange, das dem Publikum exakt das nochmal serviert, was es ohnehin schon so oft gesehen hat. In der Horrorfortsetzung wird nun mal das ewig Gleiche wieder und wieder abgefeiert, und erwartet wird von so einem Film auch gemeinhin eher die Vertrautheit als die Herausforderung. Am Schluß von HALLOWEEN: RESURRECTION wird Myers per Stromschlag getötet und abgefackelt, aber natürlich reißt er im Leichenschauhaus das Auge wieder auf. Statt einem neunten Teil kam aber ein Remake des ersten, was effektiv auf dasselbe hinausläuft – Myers fordert neue Opfer. Und momentan wird an HALLOWEEN III gearbeitet, dem zweiten Sequel des Remakes, aber kein Remake vom zweiten Sequel des Originals. Da war nämlich Myers gar nicht drin, weil John Carpenter etwas Originelleres produzieren wollte. Was für eine anachronistische Idee.

Mehr HALLOWEEN auf Wilsons Dachboden:
Das Böse lebt im Remake fort: Rob Zombies HALLOWEEN
Der Soundtrack zu HALLOWEEN: Nervenaufreibender Minimalismus
Lichtspielplatz #3 – Die HALLOWEEN-Sequels (Podcast)

Halloween: Resurrection (USA 2002)
Regie: Rick Rosenthal
Drehbuch: Larry Brand & Sean Hood
Kamera: David Geddes
Musik: Danny Lux
Darsteller: Busta Rhymes, Bianca Kajlich, Thomas Ian Nicholas, Sean Patrick Thomas, Tyra Banks, Jamie Lee Curtis, Katee Sackhoff, Daisy McCrackin
Länge: 86 Minuten
FSK: 18

Die Screenshots stammen von der DVD (C) Highlight Communications AG.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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