An irgendeiner Stelle in seiner Entstehung war D-TOX (oder EYE SEE YOU, wie er für den US-Verleih umbetitelt wurde) wohl ein interessanter, ambitionierter Film. Ein wenig später war er dann wohl zumindest ein atmosphärischer, spannender, funktionierender Genrefilm. Das, was dann in den Kinos und auf der DVD gelandet ist, ist leider weder das eine noch das andere, aber wer sich dafür interessiert, wie Fehlentscheidungen und Eingriffe in der Post-Production einen Film sichtbar auseinanderfallen lassen können, mag sich D-TOX und seinen 92 Minuten Laufzeit widmen.
Jim Gillespie, Regisseur des vielleicht dümmsten Slashers der Filmgeschichte (ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST – ebenso ein Film, der vielleicht an irgendeiner Stelle einmal ein besseres Projekt war), drehte D-TOX 1999, aber dann blieb der Film 2 Jahre lang im Regal liegen und fand nach dem Europa-Release 2001 auch erst wieder ein Jahr später überhaupt einen US-Vertrieb. Und vielleicht war es schon ein Fehler, Gillespie die Regie zu übergeben, weil die düstere Verquickung aus Serienkiller-Geschichte und Slasher-Motiven um einen Cop, der nach der Ermordung seiner Frau durch einen wahnsinnigen Serienmörder zur Flasche greift und dann einige Monate später in einer Entzugsklinik sich nicht nur dem Killer, sondern auch seinen eigenen Dämonen stellen muß, unter Gillespies Hand zur einfachen Formel reduziert wird: Ich weiss, was du in der letzten Reha gemacht hast.
Dabei hat der Film neben seines ungewöhnlichen Settings (und des damit verbundenen, aber hier völlig ungenutzten Potentials allegorischer Qualitäten, oder der ebenso verschenkten Möglichkeit auf Einblicke in die menschliche Natur) anfänglich durchaus Pluspunkte zu verbuchen: Allen voran die Tatsache, daß der immer noch so unterschätzte Sylvester Stallone den gebrochenen Cop absolut glaubwürdig spielt und ihn die Herausforderung der schwierigen Rolle anzuspornen scheint – bis er dann ab der Hälfte des Films nichts mehr zu tun hat. In den Nebenrollen finden sich Charaktergesichter und –darsteller wie Tom Berenger, Kris Kristofferson, Stephen Lang, Robert Patrick, Charles Dutton, Jeffrey Wright und Robert Prosky, aber ihre Fähigkeiten bleiben größtenteils komplett ungenutzt – wie auch ihre Figuren kaum im Gedächtnis haften bleiben. Nicht zuletzt mag Gillespies Beitrag noch so problematisch sein – aber die Atmosphäre, die er in der verschneiten Berglocation und dem finsteren Bunker, der als Entzugsklinik dient, mit heulendem Wind und engen Frames schafft, ist beklemmend dicht.
Die Probleme des Films wiegen leider schwerer. Vergessen wir mal für einen Moment, daß der trübe Bunker vielleicht unter psychologischen Aspekten eher nicht als Reha-Zentrum geeignet sein könnte und wohl eher nur als Schauplatz gewählt wurde, weil er bedrohlich wirkt – geschenkt, schließlich schlucken wir in beinahe jeder Minute der meisten Genrefilme so viel Unfug, der das Filmvergnügen selten nachhaltig stört. Sobald die Handlung aber dann im Bunker angesiedelt ist und Gillespie die dort befindlichen Personen einführt, schmiert der Film ab: Die meisten Nebenfiguren werden so fahrig vorgestellt – zu viele Gesichter, zu wenig Infos, zu wenig Licht, zu viel Bedürfnis, schnell wieder zum Killer zurückzukommen – dass es völlig unmöglich ist, den Großteil von ihnen zu unterscheiden. (Wer Kritik an John Carpenters THE THING – an dessen Antarktis-Isolations-Paranoia D-TOX nicht nur leicht angelehnt ist – übt, weil angeblich die Teammitglieder nicht auseinanderzuhalten sind, wird nach der Auseinandersetzung mit D-TOX höchstwahrscheinlich Carpenters Ökonomie und seine sichere Hand erkennen.)
Nun hilft es ja nicht gerade, wenn in einem Slasher-Film – und auf nichts anderes läuft der Plot hinaus: der Serienkiller meuchelt sich durch die Insassen der Entzugsklinik hindurch – Leute der Gruppe sterben, und als Zuseher weiß man nicht einmal, wer das jetzt eigentlich war. Noch weniger hilft, daß zu keinem Zeitpunkt klar ist, wer gerade warum etwas macht: Irgendwann geht Robert Prosky allein in den Keller, wo er dann vom Mörder niedergestreckt wird – aber wir wissen nicht einmal, was Prosky dort überhaupt wollte. Ständig laufen alle möglichen Figuren durch den Komplex oder draußen durch den Schnee, und alle suchen irgendwen oder irgendwas, aber weil sie nicht zu unterscheiden sind (und das geringe Licht und die Outdoor-Schneeschutz-Outfits nicht gerade helfen), fällt es nicht nur schwer, dem Fortgang der Handlung zu folgen oder Übersicht über Opfer und Überlebende zu behalten – es wird auch mit jeder fortschreitender Minute uninteressanter. Man versucht sich ein wenig die Zeit zu vertreiben, indem man probiert, den Täter zu erraten, aber das kann man nur aufgrund ihrer Typen – natürlich ist der am auffälligsten aggresive Patient nicht der Killer! – und keinesfalls nach irgendwelchen logischen Deduktionen, wer vielleicht gerade allein gewesen sein könnte.
Das Problem läßt sich nicht allein Gillespie in die Schuhe schieben – obwohl er durchaus seinen Großteil dazu beiträgt – denn Cutter Steve Mirkovich schneidet die einzelnen Szenen so inkompetent aneinander, daß es mitunter auch gar nicht klar ist, wo wir uns gerade befinden, oder wo gewisse Orte angesiedelt sind. Und weil (tippen wir doch einfach mal) das Studio den Film zu lang fand, flogen diverse Szenen heraus, die zum Beispiel erklärt hätten, warum Stallone in einer Szene noch mit einer Gruppe Patienten redet und dann nach einem Schnitt in einem Zimmer eingesperrt ist: Wenn schon Konfusion, dann wenigstens richtig. Einige dieser erklärenden Szenen sind übrigens als Deleted Scenes auf der DVD enthalten, falls jemand die Handlung zumindest teilweise rekonstruieren möchte.
Natürlich könnte man sich stattdessen auch einfach MINDHUNTERS ansehen.
D-Tox – Im Auge der Angst (USA 2001)
Regie: Jim Gillespie
Drehbuch: Ron L. Brinkerhoff´
Kamera: Dean Semler
Musik: John Powell
Produktion: Universal Pictures / KC Medien / Capella
Darsteller: Sylvester Stallone, Tom Berenger, Charles S. Dutton, Sean Patrick Flanery, Dina Meyer, Robert Patrick, Robert Prosky, Courtney B. Vance, Polly Walker, Jeffrey Wright, Kris Kristofferson, Stephen Lang
Länge: 92 Minuten
FSK: 16
—————–
4 8 15 16 23 42